Stressfrei zur Mathestunde

In Sachsen-Anhalt sollen speziell trainierte Jugendliche für Sicherheit in Schulbussen sorgen

  • Uwe Kraus, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Ohne Geschrei in sauberen Bussen in die Schule fahren - in mehreren Landkreisen Sachsen-Anhalts kümmern sich Schüler als Schulbusbegleiter darum. Allerdings wird der Nutzen des Projektes nicht überall eingesehen.

Die Fahrt zur Schule ist für viele Schüler alles andere als angenehm. Noch einmal in die Schulhefte schauen - Fehlanzeige. Statt Lernen und Unterrichtsvorbereitung gibt es in vielen Schulbussen Geschrei, Pöbeleien und Randale. Wegen der demografischen Entwicklung und politischen Sparentscheidungen schließen immer mehr Schulen, die Touren zu den verbleibenden werden für die Schüler immer länger. Über zwei Fahrstunden täglich sind in den dünner besiedelten Gebieten von Sachsen-Anhalt durchaus nicht die Ausnahme.

Erste Hilfe und Rollenspiel

Von den derzeit 21 228 Schülern im östlichen Harz fahren täglich 6947 mit dem Bus, sagt die LINKE-Politikerin Edwina Koch-Kupfer, Mitglied des Bildungsausschusses im Landtag Sachsen-Anhalt und langjährige Lehrerin. Seit einigen Monaten fahren nun in den Bussen junge Schulbusbegleiter mit, die an ihren blauen Ausweisen mit gelben Schlüsselbändern zu erkennen sind.

Das Projekt »Sicher mit dem Bus zur Schule - Busbegleitung durch Schülerinnen und Schüler« startete 2009 im Burgenlandkreis. 430 Schüler wurden seitdem in Sachsen-Anhalt und Thüringen zu Schulbusbegleitern ausgebildet, berichtet Karsten Bucksch, Leiter des Projekts und seit vier Jahren Vorsitzender des Landeselternrats. In der 24-stündigen Ausbildung lernen die Schüler der 7. bis 12. Klasse theoretisch und praktisch, wie sie Streithähne trennen, schlechtem Benehmen vorbeugen und in diversen anderen Situationen reagieren können. Das reiche von der Erste-Hilfe-Ausbildung über rechtliches Grundlagenwissen bis hin zu einem Gewaltpräventionstraining und einer praktischen Ausbildung mit Rollenspielen. Ausgangspunkt für das Projekt war der ADAC-Schulbus-Test 2008, bei dem Buslinien wie Naumburg - Droyßig nur ein »mangelhaft« ins Fahrtenbuch bekamen.

»Im Saalekreis wurden erstmals im Mai interessierte Schüler zum Schulbusbegleiter ausgebildet«, sagt Kerstin Küpperbusch von der Saalekreis-Verwaltung. »In unserem Landkreis werden täglich 7300 Schüler auf 64 Linien mit öffentlichen Verkehrsmitteln befördert. Die besonders ausgebildeten Schulbusbegleiter schalten sich in Problemsituationen und bei Konflikten im Bus ein, vermitteln, schlichten oder organisieren Hilfe. Sie sind keine ›Buspolizisten‹, sorgen aber für eine spürbare Verbesserung der Schulwegsicherheit.« Die Busfahrt werde mit Busbegleitern für alle entspannter und stressfreier. »Der Unterricht kann gleich ab der ersten Stunde ohne Nachwirkungen aus dem Schulbus mit voller Konzentration beginnen«, umreißt Küpperbusch die Effekte. Das Projekt wird durch das Schulverwaltungsamt und das Straßenverkehrsamt begleitet, selbst der Landrat stehe dahinter. Finanzierungsprobleme gibt es dabei nicht. Nach der Anschubfinanzierung durch Lotto habe man flächendeckend Sponsoren gefunden, erklärt Projektleiter Karsten Bucksch. »MITGAS unterstützt das Projekt im Saalekreis ebenso wie die Total-Raffinerie, die Lions und die Sparkasse.«

Großes Sparpotenzial

Doch nicht überall stößt die vom Verein Koordinierungsstelle für Kinder, Eltern und Großeltern Naumburg initiierte Aktion auf Gegenliebe. »Im Burgenlandkreis sieht man seitens der Busunternehmen keine Effekte«, sagt Buksch. »Konkrete Zahlen über Vandalismusschäden in Schulbussen rückt niemand gern raus. Aber nach unseren Rechnungen könnten landesweit jährlich 500 000 Euro gespart werden, wenn die Nothämmer nicht mehr geklaut würden, die Beschädigungen an Scheiben und Sitzen wegfielen.« Die Reinigungskosten ließen sich halbieren. Die Pädagogin Koch-Kupfer sieht noch weitere Effekte: »Das Projekt wirkt bis in die Schulen hinein. Die Busbegleiter setzen sich dann auch in ihren Schulen dafür ein, dass es keinen Streit gibt.« Auch das Selbstwertgefühl steige, das Lernverhalten ändere sich, die Sozialkompetenz wachse.

Während es auch im Salzlandkreis, in Anhalt-Bitterfeld, in Wittenberg, in Mansfeld-Südharz und im Altmarkkreis Salzwedel bereits gut läuft, wurde in Koch-Kupfers heimischem Landkreis Harz das Busbegleiterprojekt vom Landrat abgelehnt. »Finanziell nicht abzusichern, hieß es. Aber andererseits gibt es auch hier Klagen über Vandalismusschäden und schlechte Disziplin in den Schulbussen«, erklärt Koch-Kupfer. »Erwiesenermaßen erhöht sich durch Busbegleitung auch die Fahrsicherheit. Der Busfahrer muss zusätzlich zum Straßenverkehr nicht mehr so oft die jungen Fahrgäste beobachten.«

Informationen im Netz unter: www.schulbusbegleiter.de

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