Spurensuche im Ruhrgebiet

Militante Naziszene verbreitet seit Jahren Schrecken

  • Marcus Meier, Düsseldorf
  • Lesedauer: 3 Min.
Das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt prüft, ob die mutmaßlichen Thüringer Nazi-Terroristen Kontakte in das Ruhrgebiet hatten. Auch will das LKA »die Hintergründe ungeklärter Verbrechen aufhellen«. Das betrifft insbesondere zwei Anschläge in Dortmund und Köln.

Einer der Morde, die dem Thüringer Tätertrio zur Last gelegt werden und derer es sich im Bekenner-Video brüstet, wurde in Dortmund begangen. Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass die Thüringer tatsächlich die Täter sind. Die Nazis behaupten darin, 2004 auch den Nagelbomben-Anschlag auf die Kölner Keupstraße begangen zu haben - ein lebhafter Straßenzug, der im Volksmund »Klein Instanbul« heißt, weil hier besonders viele türkische Restaurants und Geschäfte zu finden sind. 22 Menschen wurden teils schwer verletzt. Lange wurde ein terroristischer oder fremdenfeindlicher Hintergrund von Behörden bestritten. Das könnte sich nun als Irrtum erweisen.

Auch weitere Verbrechen, für die sich »bislang kein schlüssiges Tatmotiv finden ließ«, würden nun erneut überprüft, kündigte Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) an. So war 2001 bei einem Anschlag ebenfalls in Köln eine junge Frau, deren Familie aus Iran stammt, durch eine Sprengfalle schwer verletzt worden.

Insbesondere Dortmund ist schon lange eine Hochburg neonazistischer Brutalität. Hier feierte die lokale Kameradschaft im Jahr 2000 einen dreifachen Polizistenmörder (»Berger war ein Freund von uns«), hier wurde 2005 ein Punk von einem jugendlichen Neonazi erstochen, hier wurde am 1. Mai 2009 die Erste-Mai-Kundgebung des DGB von 300 Rechten brutal überfallen, hier steht im Stadtteil Dorstfeld ein Braunes Haus, von dem ausgehend Bürger massiv bedroht und eingeschüchtert werden.

Hier lebt immer noch Siegfried »SS-Siggi« Borchardt, einst gefürchteter »Borussenfront«-Hooligan, vielfach vorbestraft auch wegen gewaltbezogener Delikte und als Kopf der regionalen Kameradschaftsszene und des Netzwerkes »Widerstand West« geltend. Hier ziehen immer wieder Anfang September Neonazis durch die Straßen, fordern lauthals »Nationalen Sozialismus jetzt«, während Demoanmelder Dennis Giemsch bekennt, das Ziel des Aufmarsches sei es, »in der ganzen Stadt Angst bei Demokraten und sonstigen Gutmenschen« auszulösen.

2010 wollte die Polizei in Dortmund einen rechten Aufmarsch untersagen, weil bei einem Aachener Kameraden Sprengsätze gefunden wurden. Der Bombenbauer soll gute Kontakte nach Dortmund gehabt haben. Die Polizei befürchtete, dass er am Rand der Demoroute Sprengsätze »abgelegt oder abgegeben oder übergeben« haben könnte. Nun spekuliert die »Westdeutsche Allgemeine Zeitung«, ob auch die Thüringer Tatverdächtigen gezielt in Dortmund töteten - im »Auftrag von Gesinnungsgenossen«.

Terror von rechts ist für Anna Conrads keine Überraschung: »Es gab und es gibt Anzeichen - auch in Nordrhein-Westfalen«, so die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Landtag. Aus Neonazis seien nicht gleichsam über Nacht Terroristen geworden. Scharf kritisiert Conrads den Innenminister. Sollten die Erkenntnisse aus Thüringen ihn überrumpelt haben, werfe das »erneut die Frage auf, welchen Wert die Arbeit des Verfassungsschutzes in Hinblick auf die rechte Szene hat«.

Die Schnüffler warnen - immerhin - vor einer gestiegenen Gewaltbereitschaft der rund 640 extrem Rechten an Rhein und Ruhr. Doch in Bochum-Langendreer brauchte es unlängst wieder öffentlichen Druck, um ein Nazi-Problem öffentlich zu machen. Es wurde von oben beschwiegen - bis vor drei Wochen rund 1000 Menschen gegen einen Neonazi demonstrierten, in dem viele den Urheber eines Brandanschlages auf eine Pizzeria vermuten.

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