Unheimliche Kumpanei

Kommentar von Jürgen Amendt

  • Lesedauer: 2 Min.

Ob die Politik auf dem rechten Auge blind gewesen sei, wurde Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich am Mittwochabend in den ARD-Tagesthemen gefragt. Im Interview ging es um die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass eine Gruppe rechtsextrem motivierter Terroristen über zehn Jahre lang zahlreiche Kapitalverbrechen und Morde begehen konnte, ohne dass ihnen die Behörden auf die Spur kamen. Der Minister zuckte kurz, fing sich dann aber wieder und verneinte die Frage entschieden. Man werde alles tun, um die Vorfälle aufzuklären, es habe in der Vergangenheit eben »Ermittlungspannen« gegeben. Staatliche Behörden würden bei der Aufdeckung rechtsextremer Gewalttaten nicht genügend zusammenarbeiten, meinte dieser Tage auch eine Rechtsextremismusexpertin in einem Radiointerview. Das könnte ebenso ein Selbstbetrug sein wie Friedrichs Versicherung, die Politik, mithin der Staat, sei auf dem rechten Auge nicht blind.

Diskutiert wird derzeit, wie viele Personen als V-Leute in der rechtsextremen Szene für den Verfassungsschutz arbeiten. Muss man angesichts der Verstrickungen von V-Leuten, ja von hauptberuflichen Mitarbeitern des Verfassungsschutzes nicht allmählich die Perspektive wechseln und die Frage stellen, wie viele Personen aus dem Neonazi-Umfeld im Verfassungsschutz Unterschlupf gefunden haben? Wenn es möglich ist, dass ein Beamter des hessischen Verfassungsschutzes, der gemeinhin als »kleiner Adolf« bekannt ist und unter Verdacht stand, mit mindestens einem Mord der Thüringer Terrorzelle zu tun gehabt zu haben, wenn also dieser offenkundige Rechtsextreme in einer Behörde arbeiten kann, die den Schutz der demokratischen Grundrechte verpflichtet ist, dann hat unter Umständen nicht der Verfassungsschutz seine Spitzel in der rechten Szene, sondern hat umgekehrt diese möglicherweise Einflussagenten in den staatlichen Behörden platziert.

Verstärkt wird dieser Verdacht durch einen Vorfall, über den Anfang dieses Monats in den Medien nur am Rande die Rede war. Im thüringischen Kirchheim gibt es ein Hotel, das über die nähere Umgebung hinaus bekannt ist. Die Thüringer NPD hält nach Informationen des MDR dort seit Jahren ihre Landesparteitage ab. Regelmäßig treten Musikgruppen aus dem rechten Umfeld auf, zu denen Neonazis aus dem ganzen Bundesgebiet anreisen. Das Hotel wird deshalb schon lange vom Thüringer Verfassungsschutz beobachtet. Ende September übernachteten dort auch Beamte des Bundeskriminalamts (BKA), die als Personenschützer beim Papstbesuch eingesetzt wurden. Als Anfang November der Skandal bekannt wurde, hieß es laut MDR aus dem BKA lediglich, man habe von der politischen Anrüchigkeit der Unterkunft nichts gewusst, die Buchung sei lediglich nach »reisekostenrechtlichen und haushalterischen Gesichtspunkten« erfolgt. Auch dieser Vorfall kann mit Blindheit oder mangelnder Zusammenarbeit der Behörden erklärt werden. Es könnte aber auch Ausdruck klammheimlichen, ja unheimlichen Kumpanei sein.

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