Blinder Aktionismus
Kommentar von Jörg Meyer
Da wird fast zufällig eine neonazistische »Terrorzelle« entdeckt, die im Laufe der Ermittlungen langsam, aber stetig auf Mannschaftsstärke anwächst. Es war doch klar: Drei Menschen, die mordend und Banken überfallend quer durch die Republik ziehen, können das nicht jahrelang unentdeckt tun, ohne Mittäter(innen) und ein gut aufgestelltes Unterstützungsnetzwerk zu haben. Die These von den wenigen oder Einzeltätern, die jahrelang von Regierungsparteien bemüht wurde, greift nun nicht mehr. Und doch gibt es eine Parallele zu vergangenen Fällen: Man zeigt Aktionismus, ohne das wahre Problem anzugehen.
Justiz- und Innenminister trafen sich zum Krisengipfel und verabredeten eine Zentraldatei für gewalttätige Nazis und ein »Abwehrzentrum Rechts«. Vernachlässigt oder gar unterschätzt habe man die Nazis aber nicht, betont Bundesinnenminister Friedrich (CSU). Rechtsterrorismus sei eben ein bis dato unbekanntes Phänomen gewesen. Hier wird es peinlich. Der Verfassungsschutz hat den »Thüringer Heimatschutz«, mit dem die Terrorgruppe eng verbandelt war, mit aufgebaut. Auch bei anderen Nazigruppen hatten die Spitzel ihre Finger im Spiel. Und die V-Leute? Hoppla, nichts mitbekommen ... Aber darum geht es gar nicht. Um zu vertuschen, dass der Verfassungsschutz seit Jahren gegen die Verfassung agiert hat, sollen nun neue zentrale Schnüffelstrukturen aufgebaut werden. Auch die Fans der Vorratsdatenspeicherung rufen schon wieder laut. So werden einmal mehr demokratische Grundrechte angegriffen und ein Stück abgebaut - nur um zu vertuschen, dass die Landes- und Bundesbehörden mit der Demokratie oft nichts am Hut haben.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.