Truppen auf Moskaus Straßen
Festnahmen von Oppositionsführern nach Protesten gegen Parlamentswahl
Ohne Sjuganow, so dessen zahlreiche parteiinterne Kritiker, hätten die Kommunisten, die ihre Sitze in der Duma fast verdoppeln konnten, noch weit mehr Stimmen eingefahren. Die KP werde sich dennoch bemühen, zusammen mit den anderen Oppositionsparteien und Abweichlern der Regierungspartei »Einiges Russland« jene Mehrheiten zustande zu bringen, die die Absetzung von Wladimir Putin ermöglichen, der als Favorit für die Präsidentenwahlen im März gilt.
Mit bis zu 8000 Teilnehmern war auch eine Protestkundgebung von Solidarnost vor dem Gribojedow-Denkmal überraschend gut besucht. Ende 2008 von Bürgerrechtlern und Neoliberalen als loses Bündnis gegründet, das den Einfluss der außerparlamentarischen Opposition stärken soll, krankt Solidarnost an internen Rivalitäten und Programmdefiziten. Ihre Führer - darunter Putins einstiger Wirtschaftsberater Andrej Illarionow, Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow sowie der neoliberale frühere Vize-Regierungschef Boris Nemzow - setzen die Prioritäten bei Menschenrechten. Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit wurden lange nicht aufgegriffen.
Die Kundgebung am Montagabend war genehmigt, die Polizei griff erst ein, als sich Demonstranten zu einem Marsch Richtung Sitz der Zentralen Wahlkommission formierten, und nahm 300 Personen fest. Spezialeinheiten sperrten das Gelände um den Roten Platz, darunter auch die Zugänge zur Duma, weiträumig ab.
Am Dienstag hat ein Gericht in Moskau mit Ilja Jaschin einen der Solidarnost-Anführer und den prominenten Bloggers Alexej Nawalny zu 15 Tagen Gefängnis verurteilt.
Am Abend demonstrierten dennoch erneut Tausende auf den Straßen von Moskau und St. Petersburg. Dabei wurden mindestens 100 Menschen vorübergehend festgenommen, darunter der international ausgezeichnete Bürgerrechtler Oleg Orlow von der Organisation Memorial und Boris Nemzov.
Regierungschef Wladimir Putin reagierte nach Angaben der Agentur Interfax mit den Worten, die Regierungspartei müsse schnellstens auf die Probleme der Menschen eingehen. Präsident Dmitri Medwedjew hatte sich am Vortag für Lockerungen des rigiden Wahlrechts ausgesprochen.
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