Mord an Senegalesen war rassistisch motiviert
Italienische Behörden kannten den Schützen von rechtsextremen Demonstrationen
»Wir wollen die Wahrheit«, sagte Pape Diaw, Sprecher der senegalesischen Gemeinschaft in Florenz, nachdem ein 50-jähriger Italiener am Dienstag zwei Senegalesen auf offener Straße durch gezielte Schüsse getötet und weitere verletzt hatte. »Wir wollen wissen, warum eine so gefährliche Person auf freiem Fuß war.« Die Wut der afrikanischen Migranten in der Hauptstadt der Toskana ist groß. Sie wollen wissen, wie sich der Buchhalter Gianluca Casseri, der schon mehrmals an rechtsextremen Demonstrationen teilgenommen, rassistische Bücher veröffentlicht hatte und dafür bei der Polizei bekannt war, eine Pistole besorgen konnte.
Casseri soll Sympathisant der italienischen Neonazi-Organisation »Casa Pound« gewesen sein, die wiederum mit dem international aktiven »Blood & Honour«-Netzwerk in Verbindung gebracht wird. Im Internet hatte sich der aus Pistoia stammende Casseri wiederholt rassistisch geäußert.
Am Dienstagmittag schoss er auf zwei florentinischen Märkten gezielt auf schwarze Straßenhändler, wobei er laut einigen Zeugen gerufen haben soll: »Neger, jetzt seid ihr dran!« Samb Modou (40) und Diop Mor (54) waren sofort tot. Als die Polizei Casseri in einem Parkhaus stellte, richtete er die Waffe gegen sich selbst.
Noch am Nachmittag nach der Tat ging die senegalesische Gemeinde auf die Straße und forderte lückenlose Aufklärung. »Und sagt jetzt nicht«, so Pape Diaw, »dieser Mann sei verrückt gewesen: Wäre dies der Fall gewesen, dann hätte er auf Schwarze und Weiße geschossen. Aber er hatte nur eine Hautfarbe als Ziel - es ist eine rassistische Tat.«
Die Stadt Florenz zeigte sich tief betroffen. Bürgermeister Matteo Renzi von der Demokratischen Partei hat Trauer angeordnet und will sich dafür einsetzen, dass der beiden Toten auch öffentlich gedacht wird. »Das sind nicht irgendwelche Senegalesen, wie es leider in der Presse meistens heißt. Hier sind zwei Menschen, Samb Modou und Diop Mor, ermordet worden, und sie waren unsere Mitbürger«, sagte Renzi.
Staatspräsident Giorgio Napolitano, der von einem »barbarischen Mord« sprach, fordert das Engagement der Institutionen und der Zivilgesellschaft gegen Rassismus und Intoleranz, deren Ausbreitung er fürchtet. Erst am Wochenende wurde in Turin eine Romasiedlung angegriffen. Der Auslöser für die Gewalt, an der sich Jugendliche aus sogenannten sozialen Brennpunkten, aber wohl auch radikale Fußballfans beteiligt hatten, war ein junges Mädchen gewesen, das angegeben hatte, von zwei »Ausländern« vergewaltigt worden zu sein. Als »Racheaktion« wurde das Lager niedergebrannt, wobei glücklicherweise niemand verletzt wurde. Wenige Stunden später gestand die 16-Jährige, sich die Tat ausgedacht zu haben, um zu Hause keinen Ärger zu bekommen, weil sie mit ihrem Freund geschlafen hatte.
Die senegalesische Gemeinde von Florenz hat für kommenden Sonnabend alle Bürger der Stadt zu einer großen friedlichen Kundgebung aufgerufen. »Wir Senegalesen sind sehr friedfertig, aber wenn wir kämpfen müssen, dann kämpfen wir«, sagt Pape Diaw. »Am Sonnabend wollen wir gegen die Gewalt demonstrieren und dafür, dass so etwas nicht noch einmal geschehen kann.« Unterstützt werden sie von zahlreichen antifaschistischen Initiativen rund um Florenz und insbesondere aus Casseris Heimat Pistoia.
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