Schatten über dem Frankenderby
Fürth kann den 1:0-Erfolg im Pokalachtelfinale in Nürnberg nicht feiern, weil Randalierer das Spielfeld stürmen
Wenn der Trainer eines siegreichen Teams blass und mit ernster Miene zu einer Pressekonferenz erscheint, ist das außergewöhnlich. Zumindest, wenn er eigentlich den größten Erfolg der jüngeren Vereinsgeschichte zu kommentieren hätte. Der 1:0-Sieg beim großen Stadtrivalen 1. FC Nürnberg hatte dem Zweitligisten Spielvereinigung Greuther Fürth schließlich gerade den Einzug ins DFB-Pokal-Viertelfinale beschert - garniert mit zusätzlichen Einnahmen von 1,125 Millionen Euro, was mehr als ein Fünftel des Fürther Lizenzspieleretats ausmacht. Und dennoch: Mike Büskens stand erkennbar unter Schock.
»Ich dachte, dass Fußball ein Sport ist, zu dem ich meine Kinder und Familie mitnehmen kann«, sagte der erschütterte ehemalige Schalker, der unmittelbar nach dem Abpfiff mit seinen Spielern zur Kurve der 5000 Fürther Fans gegangen war, um sich feiern zu lassen. Doch von dort musste er kurz darauf fliehen. Etwa 100 jugendliche Nürnberger Fans, die zum Teil lange Plastikstangen in der Hand hielten, hatten am anderen Ende des Spielfeldes die Zäune ihrer Fankurve überstiegen, sich erst ein Gerangel mit den Ordnern geliefert und waren dann zielstrebig entlang der Gegentribüne zu den verhassten Fürther Fans gerannt.
Als die ersten versuchten, den trennenden Zaun zu den Fans des Stadtrivalen zu überwinden, kamen dann doch noch ein paar Polizisten um die Ecke und trieben die Randalierer mit Pfefferspray in ihre Kurve zurück. »Im deutschen Fußball ist etwas eingerissen, das wir nicht hinnehmen dürfen«, fand auch Nürnbergs Coach Dieter Hecking. Dem gelernten Polizisten und fünffachen Vater stand der Schrecken ebenfalls ins Gesicht geschrieben. »Da sind Familien mit ihren Kindern im Stadion, mir fällt es da schwer, Begeisterung für das Fan-Dasein zu entwickeln.«
So fiel die sportliche Analyse der beiden Trainer knapp aus. Der Außenseiter hatte als das gedankenschnellere, entschlossenere Team verdient gewonnen. »Wir haben 65 Minuten lang sehr gut agiert und uns in der Umschaltbewegung mehrere hervorragende Möglichkeiten herausgespielt«, sagte Büskens. Sein Kollege Hecking fand sein Team »nicht zwingend genug« - und das obwohl die Fürther nach der gelb-roten Karte gegen Rechtsverteidiger Bernd Nehrig ab der 66. Minute nur noch mit zehn Mann agierten.
Der Siegtreffer für die »Kleeblätter« war schon nach einer Viertelstunde gefallen. Nach einem Eckball von Heinrich Schmidtgal konnte Edgar Prib aus kurzer Distanz einnicken - jener Prib, der es zu überregionaler Berühmtheit brachte, als er im Spiel bei Eintracht Frankfurt statt des leeren Tores nur den Pfosten getroffen hatte. »Ich konnte es nicht glauben, dass der Ball drin war«, sagte Prib, »so wie ich in Frankfurt nicht glauben konnte, dass er am Pfosten gelandet ist. Das sind Gefühle, die ich gar nicht beschreiben kann«. Seinem Mitspieler Stephan Schröck gelang das besser. »Man hat gesehen, was die Mannschaft drauf hat. Es ist einfach ein wunderschönes Gefühl, in Nürnberg zu gewinnen«, sagte er und stieg in den von der Polizei bewachten Mannschaftsbus.
In den kommenden Tagen dürfte erneut eine Debatte über die Sicherheit in den Stadien geführt werden. In Nürnberg müssen sich Polizei und Ordnungsdienst einige kritische Fragen gefallen lassen. Warum waren so wenige Ordner vor der Nürnberger Kurve postiert? Warum standen so gut wie keine Sicherheitskräfte bereit, um die friedlich feiernde Fürther Fangemeinde in deren Block zu beschützen? Warum dauerte es mehrere Minuten, ehe die Polizei im Innenraum des Stadions auftauchte? Zumal die Polizei im Vorfeld immer wieder vor der Brisanz des Derbys gewarnt hatte.
Antworten darauf sucht auch der Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bundes, der gestern ein Ermittlungsverfahren gegen den 1. FC Nürnberg einleitete.
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