Zum Regen wachsen
Die Anden recken sich Niederschlag entgegen
Die östliche und die westliche Seite der Anden haben sich in den vergangenen zehn Millionen Jahren unterschiedlich stark gehoben. Da auf der Anden-Ostseite hundert mal so viel Regen und Schnee fallen wie auf der sehr trockenen Westseite, tragen dort Bäche und Flüsse die Anden stark ab. Wie der Geologe Fritz Schlunegger von der Universität Bern herausgefunden hat, ist dies auf der niederschlagsarmen Westseite kaum der Fall.
Dadurch ist das südamerikanische Gebirge im Westen so dick geworden, dass die Kräfte aus der Tiefe es kaum noch weiter heben können. Im Osten dagegen wachsen die Anden weiter. Schlunegger und ein neuseeländischer Kollege haben ihre Befunde im Fachblatt »Nature Communications« (DOI: 10.1038/ncomms1590) publiziert.
Das Niederschlagsmuster in den Zentral-Anden ist stark asymmetrisch. Während in der bolivianischen Jungas-Region auf der Ostflanke zum Beispiel jährlich bis zu 3000 Liter Niederschlag pro Quadratmeter fallen, liegt auf der Westseite mit der Atacama-Wüste eine der trockensten Erdregionen. Das bleibt nicht ohne Folgen für die Stärke der Gesteinserosion, also der Abtragung. Auf der Ostseite beträgt die Erosionsrate über einen Millimeter pro Jahr, auf der Westseite jedoch weniger als 0,01 Millimeter.
Die Folgen für beide Anden-Seiten haben die Forscher anhand der Geometrie von Flusslängsprofilen sowie von gebirgsmechanischen Modellierungen untersucht. Die Flüsse auf der Ostseite des Gebirges fallen steil ab und führen sehr viel Wasser. Daraus folgern die beiden Forscher, dass die Anden sich im Osten stark heben müssen. Hingegen zeigen die Flusslängsprofile auf der Westseite, dass sich dort tektonisch seit sieben bis zehn Millionen Jahren nichts Nennenswertes mehr ereignet hat - die Hebung der Anden ist hier quasi abgeschlossen.
Seither entwickelt sich die Gebirgskette vor allem im Osten weiter. »Das Gebirge auf der Westseite ist aufgrund der abnehmenden Erosion zu dick geworden, um weiter durch die Tektonik bewegt zu werden«, erklärt Fritz Schlunegger. Auf der Ostseite hingegen verhindere die fortdauernd hohe Abtragung, dass sich der Gebirgskörper stärker verdicke. Durch die vergleichsweise geringe Auflast der Anden auf dieser Gebirgsseite könne diese leichter durch Kräfte aus dem Erdinneren emporgehoben werden. Daran werde sich in Zukunft nichts Entscheidendes ändern, urteilt Schlunegger und zieht das Fazit: »Die Zentral-Anden werden wahrscheinlich auch in den nächsten Millionen Jahren dem Niederschlag entgegenwachsen.« Der Zahn der Zeit kann dort also weiter kräftig nagen.
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