Inkareis mit Zukunft

Die Andenländer wollen dem nahrhaften Quinoa-Getreide zu neuem Auftrieb verhelfen

  • Benjamin Beutler
  • Lesedauer: 3 Min.
Gut Ding will Vorlauf haben: Südamerikas Andenländer wollen 2013 zum Internationalen Jahr der Quinoa-Pflanze erklären.

Boliviens Anden-Bauern leben auf einem der Flecken der Erde, der am schwersten vom Klimawandel getroffen ist. Stand Anbau und Verzehr von Quinoa zu Kolonialzeiten noch unter Todesstrafe, könnte der »Inkareis« zum Lebensmittel der Zukunft werden. Denn ob Höhenluft, Trockenheit oder Ungeziefer, Quinoa-Pflanzen trotzen selbst widrigstem Klima und kargen Böden. Die unschlagbaren Vorzüge der Andenhirse, die mehr Eiweiß, Magnesium und Eisen enthält als Weizen oder Gerste, sollen auch heute nutzbar gemacht werden. Oberhalb von 4000 Metern über dem Meeresspiegel wachsen weder Mais noch Getreide. Doch bereits vor sechs Jahrtausenden begannen die alten Andenvölker damit, anspruchslose Pflanzen wie Quinoa und Amaranth anzubauen. Diese in Vergessenheit geratene Tradition soll nun mit neuem Leben erfüllt werden.

Dafür setzt Boliviens Regierung der »Bewegung zum Sozialismus« (MAS) zur Zeit einige Hebel internationaler Diplomatie in Bewegung. Víctor Vásquez, Minister für ländliche Entwicklung, umwirbt Botschafter aus aller Welt. Zuletzt sollten sich bei einem hochrangigen Mittagessen verwöhnte Diplomaten-Gaumen von der Qualität bolivianischer Quinoa-Küche überzeugen. Zu Tisch geht es natürlich nicht nur um Sinnesfreuden. Die heimische Quinoa-Wirtschaft soll angekurbelt werden. Über das Jahr ernten rund 70 000 Familien rund 30 000 Tonnen der mineralstoffreichen Blätter. Mit staatlicher Hilfe sind die Bauern nun auf der Suche nach neuen Absatzmärkten. Europa und neuerdings auch China stehen als aussichtsreiche Abnehmer in den Startlöchern. Bisher wird der Löwenanteil der bolivianischen Ernte, über 50 Prozent des Jahresertrages gen Norden in die USA geliefert.

Nicht nur ins Ausland will man liefern. Die nahrhafte Frucht könnte viel zur Lebensmittelsicherheit beitragen. Doch ist die Nachfrage im eigenen Land gering. Nur rund 10 000 Tonnen landen auf den Tellern der zehn Millionen Bolivianer. Zum Leidwesen der heimischen Quinoa-Produzenten sind Reis, Kartoffel und Mais weiter die bevorzugten Beilagen zu Hähnchen oder Rinderschnitzel. Der Rest der Produktion, so offizielle Zahlen, wird nach Peru geschmuggelt. Andere Schätzungen gehen von noch mehr illegalem Handel aus. »50 Prozent der Jahresproduktion fließen nach Peru ab«, taxiert der Chef der Nationalen Vereinigung der Quinoa-Produzenten. Die Gründe sieht auch er in mangelnder Binnennachfrage und krummen Geschäften der wichtigsten Quinoa-Händler. Francisco Figueroa, Vorsitzender der beschuldigten Händler, hat eine gänzlich andere Sicht auf den Quinoa-Markt. Der Schmuggel würde zu einer Quinoa-Knappheit und starken Preisschwankungen führen.

Diesen Trend will Boliviens Regierung stoppen. An den Grenzen sollen Zoll und Armee präsenter sein. Auch das Image des Inkareises soll aufpoliert werden. Gemeinsam mit Peru und Ecuador, neben Bolivien Hauptproduzenten des Nahrungsmittels, hat La Paz bei der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) einen gemeinsamen Antrag eingereicht. Der Wunsch der Andenländer: Die FAO soll 2013 soll zum Internationalen Jahr der Quinoa-Pflanze ausrufen. Dem Andenkorn könnte damit späte Wiedergutmachung widerfahren. Im Zuge der Eroberung der »Neuen Welt« hatten Spaniens Konquistadoren Anbau und Verzehr des Grundnahrungsmittels der Inka unter Todesstrafe gestellt. Unter dem Hinweis, Quinoa sei »unchristliches« Essen, sollten die unterworfenen Völker geschwächt werden.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -