Pentagon justiert Militärmaschine

Die neue Strategie der USA nimmt vor allem China ins Visier

  • Andreas Landwehr (dpa), Peking
  • Lesedauer: 3 Min.
Offiziell wegen Milliarden-Kürzungen plant Barack Obama eine Neuausrichtung der mächtigsten Militärmaschine der Welt. Der US-Präsident erklärte bei der Vorstellung der neuen Verteidigungsstrategie, dass die USA dabei ihre »militärische Überlegenheit« behalten würden. Schwerpunkt ist der asiatisch-pazifische Raum.

Mit ihrer neuen Militärstrategie konzentrieren sich die USA stärker auf eine neue Bedrohung, die namentlich aber nicht genannt wird - das aufstrebende China. Die asiatische Macht baut seit Jahren ihre Marine aus, um die Dominanz der Amerikaner im Pazifik zurückzudrängen. Eher vage sagte US-Verteidigungsminister Leon Panetta, die USA wollten ihre Präsenz in der Asien-Pazifik-Region verstärken, die eine »wachsende Bedeutung« für ihre Wirtschaft und Sicherheit habe. Doch asiatischen Beobachtern ist klar: Die neue Strategie im Pazifik zielt vor allem auf den erstarkten chinesischen Drachen.

Die neue Politik wird in Peking als Herausforderung empfunden. »Es ist kein normaler Schritt«, sagte der Professor für internationale Beziehungen, Shi Yinhong, von der Volksuniversität in Peking. Hinter dem »historischen« Strategiewechsel stünden nicht nur knappe Kassen und zu hohe Kriegsausgaben, sondern auch »der Aufstieg Chinas und die Stärke des chinesischen Militärs«. Das US-Militär bewege sich ostwärts.

»Ich denke, Chinas Regierung wird darüber nachdenken, dass sie sich jetzt einer komplizierteren strategischen Situation in Asien und der Pazifik-Region gegenüber sieht«, sagte der renommierte Professor. Der Wettbewerb zwischen den USA und China sei »beispiellos in der Geschichte«, befand auch die Zeitung »Global Times«, die vom KP-Organ »Volkszeitung« herausgegeben wird und für ihre starken nationalistischen Töne bekannt ist. China sei ein »festes strategisches Ziel der USA« geworden. »Mit seinen Bemühungen, die chinesisch-amerikanischen Beziehungen zu verbessern, hat Peking es nicht vermocht, die Sorgen der USA über seinen Aufstieg zu zerstreuen.« China müsse auf seine Stärken setzen und sich der US-Eindämmungspolitik widersetzen.

Jahrzehntelang schien vor allem ein potenzieller Krieg um Taiwan die Hauptsorge zu sein. Peking betrachtet die Inselrepublik als abtrünnige Provinz und droht mit einer gewaltsamen Rückeroberung. Doch haben sich weitere Krisenherde angesammelt. Mit Japan streitet China um Rohstoffvorkommen im Ostchinesischen Meer. Ein anderer Territorialkonflikt mit Vietnam, den Philippinen und anderen Nachbarn dreht sich um die Spratley-Inseln im Südchinesischen Meer, wo ebenfalls große Gas- und Ölvorkommen liegen sollen. Vor Jahren reichte es, wenn die USA ihre Flugzeugträgergruppen losschickten, um den Chinesen die Grenzen aufzuzeigen. So war es etwa in der Taiwankrise 1996 als Reaktion auf chinesische Raketentests, die Taiwans Wähler einschüchtern und von der Wahl eines Präsidenten abhalten sollten, der Peking nicht genehm war. Heute verfügt Chinas Marine über eine moderne U-Boot-Flotte. Auch hat es neue Raketen wie die »Ostwind DF-21D« entwickelt, die in der Lage sein sollen, ein Marineschiff in 1700 Kilometer Entfernung zu treffen. China baut ferner eigene Flugzeugträger und Bomber, die für Radar schwer auszumachen sind. Ganz zu schweigen von seinen Fähigkeiten, weltweit in Computernetzwerke einzudringen oder auch gegnerische Satelliten abzuschießen, wie 2007 eindrucksvoll bewiesen wurde. Militärexperten sind davon überzeugt, dass Chinas Volksbefreiungsarmee die US-amerikanische Pazifik-Flotte heute viel leichter aus ihren Küstengewässern verdrängen, ihren Aktionsradius empfindlich stören und insgesamt leichter auf Armlänge halten könnte.

Die USA zielten mit ihrer neuen Strategie auch auf diese verbesserten Fähigkeiten Chinas, den amerikanischen Streitkräften durch Störmanöver den Zugang in verschiedenen Regionen zu verwehren, stellte die »Global Times« fest. Darauf müsse China antworten, sein militärisches Können noch weiter verbessern und seine Abschreckung ausbauen. »Die USA müssen begreifen, dass sie den Aufstieg Chinas nicht stoppen können und dass es in ihrem größten Interesse ist, sich China gegenüber freundlich zu verhalten«, schrieb das Blatt.

Trotz der lauten Töne wird in dem Kommentar gleichzeitig zu Besonnenheit geraten. China solle »einen neuen Kalten Krieg vermeiden« und auf seine wirtschaftliche Stärke setzen. Die angeschlagenen USA könnten die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt inzwischen ohnehin nur »schwerlich provozieren«. Je mehr sich beide also auf den wirtschaftlichen Wettbewerb konzentrierten, umso eher werde sich die Situation zugunsten Chinas entwickeln.

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