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Mehr Wind macht dickere Vögel

Der Klimawandel erleichtert Albatrossen im Südlichen Ozean die Futtersuche

  • Lucian Haas
  • Lesedauer: 4 Min.
Mehr Wind macht dickere Vögel

Wenn von Klimawandel die Rede ist, dann stehen zumeist höhere Temperaturen oder wechselnde Niederschlagsmuster im Fokus. Doch es gibt noch weitere Klimafaktoren, die sich verändern, zum Beispiel der Wind. Über den Ozeanen weht er tendenziell stärker. Das hat Einfluss auf die dort lebenden Seevögel und zeigt überraschende Effekte im Südlichen Ozean, wie französische Forscher im Fachjournal »Science« (Bd. 335, S. 211) berichten.

Seit 40 Jahren studieren Biologen des Instituts Chizé in Villiers en Bois das Leben der Wanderalbatrosse auf den Crozet-Inseln. Das kleine, von Winden umtoste Archipel liegt einsam im Südlichen Ozean, auf halbem Weg zwischen Madagaskar und der Antarktis. Ornithologen protokollieren dort jährlich den Bruterfolg. Sie wiegen die Vögel und statten sie mit Sendern aus, um per Satellit ihre Flugrouten über dem Meer zu protokollieren. Dabei beobachteten sie über die Jahre deutliche Veränderungen.

Wanderalbatrosse sind von Natur aus große Vögel, mit über drei Metern Flügelspannweite. Die Weibchen wiegen üblicherweise acht, die Männchen zehn Kilo. »Es hat uns sehr überrascht, dass die Wanderalbatrosse auf den Crozet-Inseln heute aber im Durchschnitt ein Kilogramm schwerer sind als noch vor 20 Jahren«, sagt Henri Weimerskirch, Leiter der Seevogelforschung des Instituts Chizé. Zehn bis zwölf Prozent mehr Körpermasse sei ein bedeutender Zuwachs.

Die Gewichtszunahme zeigt, dass sich die Ernährungslage der Tiere verbessert haben muss. Zumal die Vögel heute bei der Futtersuche deutlich weniger Aufwand betreiben. Die Dauer ihrer ausgiebigen Futtersuchflüge übers offene Meer hat sich von 13 auf 9 Tage verkürzt. Sie brauchen deutlich weniger Zeit, um das nötige Futter zu finden.

Albatrosse leben als Paare zusammen und wechseln sich beim Brüten gegenseitig ab. Während der eine auf den Eiern sitzt, startet der andere zu tagelangen Gleitflügen über das Meer. Fällt die Futtersuche kürzer aus, ist das für beide von Vorteil. Denn wenn die Vögel auf den Eiern sitzen, fressen sie nicht. Sie sind gezwungen zu fasten, während sie auf die Rückkehr ihres Partners warten. Verkürzt sich die Futtersuche des einen, verkürzt sich auch die Fastenzeit des anderen, was der Fitness zugute kommt. Letztendlich verbessert sich so der Bruterfolg.

Vor 40 Jahren schlüpften nur aus zwei von drei Eiern Jungvögel. Heute liegt die Quote bei drei von vier. Weimerskirch und seine Forscherkollegen fragten sich, was die treibende Kraft hinter dieser positiven Entwicklung ist und fanden eine Erklärung: den Klimawandel.

»Die Winde über den Weltmeeren werden stärker. Das gilt besonders für den Südlichen Ozean, wo das Ozonloch über der Antarktis als zusätzlicher Antreiber wirkt«, sagt Weimerskirch. Das habe Konsequenzen für das Wetter der Crozet-Inseln.

Rund um die Antarktis gibt es ein Band mit starken westlichen Winden. Diese Starkwindzone hat sich über die Jahre nicht nur verstärkt, sondern auch etwas nach Süden verschoben. Die Crozet-Inseln liegen heute mittendrin. Die Albatrosse profitieren von den höheren Windgeschwindigkeiten.

Wanderalbatrosse gelten als Meister darin, die Windenergie zum Fliegen zu nutzen. Sie lassen sich von den Luftströmungen in die Höhe tragen und gleiten dann weit über den Ozean. Diese Art zu Fliegen heißt dynamischer Segelflug und ist typisch für Albatrosse und Sturmvögel. Dabei gilt die Regel: Je stärker es bläst, desto schneller kommen die Vögel voran.

Anhand der per Satellit erfassten Flugrouten haben die Forscher errechnet, dass die Albatrosse der Crozet-Inseln heute im Durchschnitt rund 15 Prozent schneller unterwegs sind als noch vor 20 Jahren. So können sie in kürzerer Zeit größere Meeresflächen nach Futter absuchen. Das macht sie zu Gewinnern des Klimawandels. Zumindest vorläufig.

Laut Prognosen des UN-Klimarates wird der Wind über den Ozeanen in den nächsten 100 Jahren noch kräftiger werden. Zugleich verschiebt sich die Westwindzone rund um die Antarktis weiter nach Süden. »Wenn der Trend anhält, werden die Crozet-Inseln künftig nicht mehr mitten im Starkwindband liegen. Für die Albatrosse wäre das von Nachteil«, sagt Weimerskirch.

Wie gewonnen, so zerronnen, könnte es dann für die Albatrosse auf den Crozet-Inseln heißen. Es gibt aber noch südlicher gelegene Inseln wie die Kerguelen oder die Heard- und McDonald-Inseln, auf denen auch große Albatross-Populationen leben. Vielleicht beschert ihnen der Klimawandel als nächstes einen windgetriebenen Boom.

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