Geschlossen nach Dresden

Hessens Linksfraktionschefin Janine Wissler zum Widerstand gegen Naziaufmärsche

  • Lesedauer: 3 Min.

nd: Im Hessischen Landtag steht die Aufhebung der Immunität der beiden Vorsitzenden der Linksfraktion an. Sie steht im Zusammenhang mit der strafrechtlichen Verfolgung der friedlichen Blockade eines Naziaufmarschs in Dresden. Die CDU hat angekündigt, der Immunitätsaufhebung zuzustimmen. Hat Sie das überrascht?
Angesichts der jüngst bekannt gewordenen von Nazis verübten Mordserie ist es unglaublich, dass nun Menschen strafrechtlich verfolgt werden sollen, die sich Nazis in den Weg stellen. Es ist skandalös, dass sächsische Behörden angesichts der Enthüllungen über die sogenannte Zwickauer Terrorzelle offenbar nichts anderes zu tun haben, als Nazigegner strafrechtlich zu verfolgen. Im Fall der hessischen CDU hingegen überrascht mich in dieser Hinsicht schon lange nichts mehr.

Was zeichnet die Hessen-CDU denn aus?
Mitglieder der hessischen CDU betätigen sich immer wieder als Stichwortgeber für Rechtsaußen. Wir haben hier Wahlkämpfe erlebt auf dem Rücken von Migranten und immer wieder ausländerfeindliche Ressentiments. Als Speerspitze im Kampf gegen Nazis ist die Hessen-CDU noch nicht aufgefallen.

Ist die Aufhebung der Immunität vielleicht ein Ablenkungsmanöver der Hessen-CDU?
Das Problem ist zunächst einmal, dass die Dresdner Staatsanwaltschaft das Verfahren überhaupt losgetreten hat und Ermittlungsverfahren gegen die Fraktionsvorsitzenden der LINKEN in Sachsen, Thüringen und Hessen eingeleitet hat. Die CDU wirft uns vor, wir missbrauchten unser Abgeordnetenmandat und würden die Justiz behindern. Das Gegenteil ist der Fall. Die Justiz behindert uns im Kampf gegen Rechts. 10 000 friedliche Menschen blockieren einen Naziaufmarsch und vier LINKE sollen belangt werden.

Wie reagiert die Öffentlichkeit?
Es gibt eine breite Solidarität, die uns freut. Die Fraktion hat beschlossen, auch in diesem Jahr geschlossen nach Dresden zu fahren, um den Naziaufmarsch wieder zu verhindern. Mit oder ohne Immunität.

Voraussichtlich wird der Hessische Landtag am 1. Februar unsere Immunität aufheben. Dann kann die Staatsanwaltschaft in Dresden Anklage erheben. Eine Geldstrafe drohen. Entscheidend sind weniger die persönlichen Konsequenzen, sondern das verheerende politische Signal, das damit in Deutschland gesetzt wird: Nazis dürfen marschieren, eine Nazibande zieht jahrelang von den Sicherheitsbehörden unbehelligt mordend durchs Land und die Justiz nimmt sich Nazigegner vor. Diese Kriminalisierung kam auch schon mit der Erhebung der Handydaten in Dresden und Bürodurchsuchungen zum Ausdruck.

Sie fordern seit Wochen lückenlose Aufklärung über die V-Leute des Verfassungsschutzes in der Neonaziszene. Sind sie damit weiter gekommen?
Das V-Leute-System ist in der Praxis die Überlebensgarantie der NPD. Wir fordern den Abzug der V-Leute aus der Neonaziszene, auch damit es endlich ein NPD-Verbot gibt. Doch Innenminister Boris Rhein (CDU) lehnt dies ab und behauptet, wir bräuchten die V-Leute, um Informationen zu bekommen. Wir haben im Innenausschuss einen Berichtsantrag vorgelegt, doch der Minister mauert. Aufklärung darf nicht nur in internen Gremien geschehen, sondern muss öffentlich gemacht werden.

Könnte das Verfahren gegen Sie auch Auswirkungen auf die Frankfurter Oberbürgermeisterwahl am 11. März haben, bei der Sie als Kandidatin Ihrer Partei gegen den CDU-Kandidaten Boris Rhein antreten?
Für uns ist klar: Frankfurt hat Raum für 170 Nationalitäten, aber in Frankfurt ist kein Platz für Nazis. Frankfurt ist eine internationale und weltoffene Stadt.

Welchen Schwerpunkt setzen Sie im Wahlkampf?
Frankfurt ist eine reiche Stadt, in der viele Menschen in Armut leben. Wir stellen soziale Gerechtigkeit, Umverteilung und die Forderung nach bezahlbaren Mieten für Familien, für Gering- und Normalverdiener und Studierende in den Mittelpunkt. Kriminell sind nicht diejenigen, die sich an Hausbesetzungen beteiligen, um auf die Misere aufmerksam zu machen, sondern diejenigen, die aus Spekulationsgründen Wohnraum leer stehen lassen. Zudem ist Fluglärm ein wichtiges Thema. Als einzige Partei fordern wir konsequent die Stilllegung der neuen Landebahn am Rhein-Main-Flughafen, weil Menschen wichtiger sind als die Profite der Lufthansa und der Betreibergesellschaft Fraport.

Fragen: Hans-Gerd Öfinger

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