Prostitution: Ein Studentjob wie jeder anderer?

  • Charlotte Noblet
  • Lesedauer: 3 Min.
Frauengespräch zwischen Anne (Juliette Binoche) und Charlotte (Anaïs Demoustier)
Frauengespräch zwischen Anne (Juliette Binoche) und Charlotte (Anaïs Demoustier)

»Ich hatte großes Glück: Nach einem Monat in Paris, hatte ich eine schöne Wohnung.« Die junge Alicja (Joanna Kulig) öffnet sich ohne Scheu der Journalistin gegenüber, die einen Artikel über die Prostitution von Studentinnen in Paris schreibt. »Es ist wie mit Zigaretten, schwer zu stoppen«, gesteht ihrerseits Charlotte (Anaïs Demoustier) und sagt noch dazu, dass nichts, auch nicht Bumsen, so sehr wie die Acryl-Pullis und Sperrholzmöbel ihrer Eltern stinkt.
Die Begegnungen mit den zwei Studentinnen bringen Anne (Juliette Binoche), Journalistin in ihren besten Jahren für das Frauenmagazin »Elle«, zum nachdenken. Als verheiratete Mutter mit zwei Kindern, Fan von »Radio Classique« und Bio-Ernährung, hätte sie bisher eine ganze Seite der Gesellschaft hinweggesehen? Anne vertieft sich in der Bearbeitung ihrer Reportage und stellt ihre eigene Sexualität sowie die von ihrem Mann in Frage, vom Balkon ihrer bürgerlichen Pariser Wohnung aus.

Die Kamera konzentriert sich auf die Emotionen der drei Frauen


Zahlreiche Close-ups stellen intime Welten den Zuschauern gegenüber. Die Montage ergibt sich schnickschnacklos. Das Tempo des Films passt sich dem Geist der Figuren an: Langsamkeit widerspiegelt die inneren Fragen der Journalistin, leichtere Szenen betonen die Frivolität der Studentinnen, die sich eher keinen Fragen stellen oder sich keine Fragen mehr stellen wollen.

Die Schauspielerinnen sind bemerkenswert: Joanna Kulig verblüfft, Anais Demoustier kokettiert und Juliette Binoche strahlt wunderbar mit ihren 47 Jahren. Sie treibt mit ihrer Körpersprache die Intimität der Journalistin in die Enge: Ein echtes Kunststück! Allerdings sollten diejenigen, die Juliette Binoche nicht mögen, lieber auf den Film verzichten: Die französische Schauspielerin besetzt eine sehr dominierende Rolle in dem Film von Malgorzata Szumowska.

Für ihren zweiten Spielfilm „Das bessere Leben" serviert die polnische Regisseurin rüde Realitäten und Sex-Szenen zwischen kleinen kulinarischen Köstlichkeiten wie Hahn in Riesling und Jakobsmuscheln. Von Paris, Stadt der Liebe, sehen die Zuschauer/innen vor allem Innenräume - für Personen unter 12 Jahren verboten.

Die Produzentin Marianne Slot und die Drehbuchautorin Tine Byrckel wollten einen Film ohne Vorurteile über die Prostitution von Studentinnen in Paris. Für Malgoska Szumowska haben sie sich entschieden, als sie ihren Spielfilm »33 Szenen aus dem Leben« (2008) gesehen haben. Malgorzata Szumowska stammt aus dem Dokumentarfilm und dies merkt man ihren Filmen an.

Für das Drehbuch wurden Umfragen in Frankreich und Polen durchgeführt. Dabei sind sie oft auf junge Frauen gestoßen, die Lust auf Sex für Geld hatten. Darum wird im Film über die Prostitution mit den Worten der zwei Studentinnen gesprochen und nicht in den den üblichen Vorstellungswelte voller Drogen- und Zuhälter. Ist dafür die Prostitution ein Studentjob wie ein anderer geworden?

Die französisch-polnische Produktion wird auf der Berlinale in der Sektion »Panorama Special« gezeigt, die mehr und mehr Genderproduktionen anbietet. Macht das „Das bessere Leben" zu einem feministischen Film? Emanzipieren sich die Studentinnen auf diese Art von den Immobilienpreisen? Sind die Männer von ihrem Bild in der Führungsposition ihren Frauen gegenüber befangen? Die Fragen bleiben offen, und damit wird der Film ohne Zurückhaltung und ein paar bürgerlichen Fragen etwas verführerisch.

Juliette Binoche auf dem Toronto Film Festival 2011 (auf Englisch):
http://youtu.be/6zELh2eR5Rc

Der Film bei der Berlinale:
https://www.berlinale.de/external/de/filmarchiv/doku_pdf/20120989.pdf

Trailer:
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