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Das Virus aus dem Labor
Kann uns das drohen: eine Grippe-Pandemie, ausgelöst durch einen Laborunfall mit einer »aufgerüsteten« Version des Vogelgrippe-Virus H5N1? Die US-Regierung sieht das offenbar so. In einem bisher beispiellosen Schritt hat sie Wissenschaftler aufgefordert, eine Arbeit zum Vogelgrippevirus nicht vollständig zu veröffentlichen. Virologen aus den Niederlanden und den USA hatten im Labor eine Variante dieses Virus geschaffen, die leicht von Säugetier zu Säugetier übertragen werden kann.
Die beiden Hauptautoren Ron Fouchier vom Erasmus Medical Center in Rotterdam und Yoshihiro Kawaoka von der Universität von Wisconsin in Madison äußerten sich zurückhaltend zu der Forderung, erklärten allerdings ein zweimonatiges Moratorium für ihre Forschung.
Der Chefredakteur des US-Fachblatts »Science«, Bruce Alberts, schlug vor, ein System zu schaffen, mit dessen Hilfe zumindest den Fachleuten die kompletten Forschungsergebnisse zur Verfügung gestellt werden könnten. Das sei wichtig für die von der Vogelgrippe besonders stark betroffenen Gebiete wie China und Indonesien. Bis es jedoch eine solche Möglichkeit gebe, wolle »Science« auch keine »entschärfte« Version der Arbeit veröffentlichen.
Weltweit sind insbesondere Vögel mit dem Erreger H5N1 infiziert. Menschen waren nur in Einzelfällen erkrankt, man spricht von etwa 600. Diese Infektionen endeten allerdings zu 60 Prozent tödlich. Glücklicherweise überträgt sich der Erreger kaum von den Federtieren auf uns Menschen.
Den Forschern um Fouchier und Kawaoka gelang es nun, im Labor eine Virus-Variante zu schaffen, die sich ganz leicht von Frettchen zu Frettchen, wieselähnlichen Mäusejägern, übertrug. Und dies über die Atemluft. Aber, bitte (noch) keine Panik!
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat ganz kurzfristig für diesen Monat ein Treffen einberufen. Viele Fragen müssen in Genf diskutiert werden, zum Beispiel: Dürfen Arbeiten mit solchen Viren, wenn überhaupt, nur in speziellen Hochsicherheitslabors ausgeführt werden?
In den Niederlanden und den USA wurden die bisherigen Experimente in BSL-3-Labors (Biosafety Level 3) gemacht. Das sind Unterdruckräume mit Schleusen, Duschen und speziellen Luftfiltern. Doch wären nicht tatsächlich die auch baulich abgetrennten BSL-4-Labors erforderlich? Meine Biologie-Kollegen an der Uni stöhnen: »Total unbequem! Nur wenige hochqualifizierte Leute sind dafür geeignet, und es ist eine Tortur, dort zu arbeiten. Gerade Du würdest das hassen!« Ich beharre: »Na und? Davon hängt eventuell das Schicksal der Menschheit ab!«
Als wir in Hongkong mit SARS zu kämpfen hatten, infizierten sich in China, Taiwan und Singapur auch Forscher - in BSL-3- und sogar in BSL-4-Labors! Sollte es wirklich den einzelnen Wissenschaftlern überlassen bleiben, ob und wie sie mit hochinfektiösen Viren umgehen? Was verspricht man sich eigentlich von den Experimenten?
Dazu mehr in zwei Wochen.
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