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Das Faselland
Christian Kracht / Um den Schriftsteller findet ein Feuilletonkrawall statt
»Ich muss mal wieder erkennen, dass keine Stadt in Deutschland hässlicher und abstoßender ist als Frankfurt, nicht mal Salzgitter oder Herne«, heißt es in Christian Krachts Debütroman »Faserland«, dessen Protagonist, ein über alle Maßen gelangweilter junger, eitler Snob und Schnösel, durch Deutschland reist und dabei kräftig dem Alkohol zuspricht. Krachts Mittel sind das Zitat, die Ironie, der Pastiche, die Parodie, die »Stilmimikry«, wie Iris Radisch von der »Zeit« seine literarische Technik nennt. Traditionell tut man sich hierzulande schwer mit derlei Verspieltem und sucht den schweren Ernst, die Moral, das Sauertöpfisch-Versuhrkampte. Das mag dazu geführt haben, dass der »Spiegel« schrieb, Krachts soeben erschienener Roman »Imperium« sei »durchdrungen von einer rassistischen Weltsicht«, woraufhin der Schweizer seine für übermorgen in Berlin vorgesehene Premierenlesung absagte.
Gewiss: Bei der Betrachtung seines Lebenslaufs keimt der Verdacht, dass es sich bei einem wie ihm nur um einen verwöhnten Bengel handeln kann: Sohn eines hohen Tiers beim Axel-Springer-Verlag, teures Elite-Internat in der Schweiz, Indien-Korrespondent des »Spiegel«, Herausgeber einer von Springer finanzierten Zeitschrift (Redaktionssitz: Kathmandu), ein die Welt bereisender Gernegroß. Bei öffentlichen Auftritten bevorzuge er »die Rolle des Dandys, der eine distinguiert-blasierte Gelangweiltheit zur Schau stellt«, schreibt der »Tagesspiegel«. Man kann Kracht schlechten Stil vorwerfen, nicht aber Rassismus.
Tatsächlich ist es die Form, die Oberfläche der Dinge, die ihn interessiert: die eigentümliche Schönheit der monumentalen Betonbauten Pjöngjangs, die vom britischen Grafikdesigner Peter Saville in minimalistischem Stil gestalteten Plattencover von Joy Division. Kracht mag die Pose, den Schein, das gelungene Popkunstwerk. Mit Warhol hat er mehr gemein als mit Sarrazin. Politik interessiert ihn nicht. Vermutlich gefiel ihm an Ghaddafi das Pfauen- und Geckenhafte, die Tatsache, dass dieser zu seinen Lebzeiten eine Vielzahl schicker Uniformen und Kostüme vor den Kameras der Welt spazieren trug.
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