Parolen vom CSU-Stammtisch

Konservativer fordert beim Politischen Aschermittwoch, dass Europa bayerischer wird

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Politische Aschermittwoch ist ein alljährliches Ritual politischer Folklore. Seit Jahrzehnten demonstrieren Spitzenpolitiker der CSU zwischen Bierkrügen, bayerischen Flaggen und Schwarz-Rot-Gold etwas deutlicher als sonst ihre Heimatverbundenheit und ihren Abscheu gegen so manchen politischen Kontrahenten.

Edmund Stoiber hatte es sich wohl kaum träumen lassen, noch einmal die Aschermittwochsrede der CSU halten zu dürfen. »Ich bin nicht mehr auf dem Spielfeld, ich sitze auf der Tribüne und drücke dort die Daumen«, sagte gestern der CSU-Ehrenvorsitzende, der sich derzeit in Brüssel um den »Demokratieabbau« der Europäischen Union kümmern soll, in der prall gefüllten Dreiländerhalle in Passau. Zu verdanken hatte Stoiber seinen Auftritt beim 60. Politischen Aschermittwoch der CSU auch dem bayerischen Ministerpräsidenten und Parteivorsitzenden Horst Seehofer. Dieser hatte auch kürzlich den »Putsch« im Januar 2007 gegen den damaligen Parteichef Stoiber kritisiert. In Passau rühmte Seehofer Stoiber, der in seiner Amtszeit eine große Privatisierungswelle staatlichen Eigentums eingeleitet hatte, für dessen »wirtschaftliche Erfolge«.

Stoiber beschwört »Volksbewegung«

Auch sonst gab sich der Ministerpräsident, der den ersten Teil der Rede übernahm, recht zahm. Anstatt wie gewohnt die politischen Gegner verschärft ins Visier zu nehmen, wurde es ein Vormittag ungebrochener Selbstbeweihräucherung. Denn Seehofer hat nach dem Rücktritt von Christian Wulff als Bundesratspräsident kommissarisch das Amt des Bundespräsidenten übernommen. Zurückhaltung war also geboten.

Seehofer wurde nicht müde, die Wirtschafts- und Finanzkraft Bayerns über den grünen Klee zu loben. Allerdings ärgerte er sich darüber, dass Bayern für die finanzschwachen Länder zahlen muss. »Der Länderfinanzausgleich ist bescheuert«, kritisierte der CSU-Chef das System, durch das Bayern einst viele Jahre lang selbst unterstützt worden war. Das teilweise angetrunkene Publikum reagierte mit Gejohle, blau-weiße bayerische Fahnen wurden geschwenkt. Weit weniger Applaus erhielt Seehofer für seine Ankündigung, den Bundespräsidentenkandidaten Joachim Gauck unterstützen zu wollen. Aus dem Publikum wurde sogar ein Plakat mit der Aufschrift »Stoiber for Bundespräsident« hochgehalten.

Doch auch Stoiber machte sich für Gauck stark. Wild gestikulierend und mit dem Kopf wackelnd bezeichnete der 70-Jährige Gauck als »sehr gute Wahl«. »Er ist gegen einen übermächtigen Staat und hat für Thilo Sarrazin ein gutes Wort gefunden«, pries Stoiber den rechtskonservativen Charakter des Kandidaten.

Nicht gefallen haben dürfte dagegen Seehofer und seinen Parteikollegen, die bundesweite Volksentscheide über Euro-Rettungspakete fordern, dass Stoiber aufgrund der Folgen für Sparer und Banken vor einer Rückkehr Griechenlands zur Drachme warnte. Seine eigene Partei bezeichnete Stoiber als »große Volksbewegung«, die dringend gebraucht werde - auch in der Europapolitik.

Den Rechtspopulismus, der bei der CSU zum guten Ton gehört, überließ Stoiber ansonsten weitgehend Manfred Weber. Der Europa-Abgeordnete lehnte einen EU-Beitritt der Türkei mit den Worten ab, Europa müsse christlich bleiben. Doch damit nicht genug. Weber forderte sogar eine bayerisch geprägte EU: »Wir wollen, dass mehr Bayerisch in Europa gesprochen wird.«

Ähnlich größenwahnsinnige Reden wurden in dem nur wenige Kilometer von Passau entfernten Vilshofen bei der Veranstaltung der SPD geschwungen. »In Passau sitzt die Bayernpartei von gestern. Hier die von morgen«, rief Parteichef Sigmar Gabriel seinen Anhängern zu. Zudem freute er sich offensichtlich über seinen gelungenen Schachzug, an Gauck festgehalten zu haben. Der Streit um den Kandidaten zwischen Union und FDP habe »Karnevalistenqualität« gehabt, so Gabriel.

Dass die SPD mit rund 3500 Zuhörern einen neuen Rekord beim Politischen Aschermittwoch zu verzeichnen hatte, lag aber wohl weniger an der Präsenz ihres Vorsitzenden, sondern an dem Auftritt des chancenreichen Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im kommenden Jahr, Christian Ude. Der Münchner Oberbürgermeister weiß, wie man im strukturkonservativen Bayern ankommt. Er gab sich - in einen Janker gekleidet und mit einem Weizenbierglas vor sich auf dem Tisch - bewusst heimatverbunden. Im Unterschied zu Gabriel verzichtete Ude auf harte Sprüche gegen politische Widersacher. Nur zum Ende seiner Rede wurde er kämpferischer. Sein Argument gegen die CSU: Sie regiert einfach schon zu lange. »Die Menschen in Bayern haben die Arroganz der Macht der CSU satt«, meinte Ude.

Kein einfaches Pflaster für die Linkspartei

Kein einfaches Pflaster ist Bayern für die LINKE. Bei der Landtagswahl 2008 erreichte sie 4,4 Prozent der Stimmen. Umfragen sagen ihr nun nur noch zwei Prozent voraus. Wohl auch deswegen konzentrierten sich Parteichef Klaus Ernst und der Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Gregor Gysi, im niederbayerischen Tiefenbach hauptsächlich auf die Eurokrise und bundespolitische Themen, wie die Debatte über den Bundespräsidentenkandidaten Joachim Gauck. »Es ist ein Skandal, dass allein die LINKE bei dieser Frage nicht einbezogen wurde«, ärgerte sich Gysi. Ernst ließ durchblicken, dass er mit dem früheren CDU-Umweltminister Klaus Töpfer, der auch als Kandidat im Gespräch war, als Bundespräsident hätte leben können. Gauck ist für die LINKE dagegen nicht wählbar. Auch weil der frühere Stasiunterlagenbeauftragte die Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz für in Ordnung hält.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.