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Bücher und Debatten

Dirk v. Petersdorff gelang eine überaus anregende Literaturgeschichte der BRD

  • Werner Jung
  • Lesedauer: 2 Min.

Dieser Mann weiß, worüber er schreibt. Und das ist alles andere als selbstverständlich, denn Dirk von Petersdorff ist beides, Schriftsteller und Literaturwissenschaftler zugleich, ein Autor, der vor allem mit Lyrikbänden Eingang in die aktuelle Literaturszene gefunden hat, und ein Literaturwissenschaftler, der als Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Jena lehrt. Das macht die Sache nämlich eher kompliziert, wenn da jemand Akteur der Literatur ist und dann wieder in die Rolle des Beobachters schlüpft.

Dirk v. Petersdorff ist es jedoch hervorragend gelungen, die Klippen zu umschiffen; er hat eine knappe Literaturgeschichte der Bundesrepublik vorgelegt, die turmhoch über vergleichbaren Unternehmungen (etwa Weidermanns »Lichtjahre«) steht. Natürlich kann und will sich v. Petersdorffs Bändchen nicht messen an voluminösen Kompendien wie etwa Barners oder Schnells umfassenden Literaturgeschichten, auf die er im übrigen seine Leser am Ende seiner Darstellung selbst hinweist, doch wer eine rasche, überaus instruktive Einführung und Übersicht sucht, wird hier bestens bedient.

Von Petersdorff versteht es, Literatur- und Gesellschaftsgeschichte miteinander zu verbinden, und zwar so, dass er neben die (hoch-)literarischen Entwicklungen die populäre Kultur (Musik, Film), aber auch intellektuelle Debatten, die ihren essayistischen Niederschlag gefunden haben, stellt. Zwar ist v. Petersdorffs Einteilung und Systematik nicht neu, übernimmt er die aus anderen Darstellungen bekannte Schematik verschiedener Dekaden (Nachkriegszeit und 50er Jahre; Das politische Jahrzehnt; Abschied vom Prinzipiellen; Postmoderne Öffnungen in den 80er Jahren; Gegenwartsliteratur seit 1989), aber der Zugewinn für den Leser besteht darin, dass Dirk v. Petersdorff im Unterschied zu einer strikt an Autoren gebundenen Darstellung auf größere Zusammenhänge, Entwicklungslinien und intellektuelle Konstellationen aufmerksam zu machen versteht.

Etwa wenn er für die Nachkriegsentwicklung in der BRD Böll und Koeppen mit ihren Romanen als ästhetische Antipoden begreift. So stellt er dar, wie Koeppen, auf die Herausforderungen der Nachkriegsgesellschaft mit einem (multi-)perspektivischen Erzählen, das die Pluralität der Meinungen wiedergibt, reagiert und wie Böll dagegen mit einem monistischen, ethisch-humanistischen Konzept aufwartet, das auf die Aufklärung zurückverweist.

Der eleganten und ungezwungenen Art und Weise, wie v. Petersdoff die literarische Entwicklungen in die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse der Bundesrepublik einzubetten vermag, merkt man seine reichliche Lehrerfahrung an. Wobei er auch den Mut zur Beschränkung hat. Ohne naheliegendes »namedropping« konzentriert sich das Buch auf einige wenige, sozusagen paradigmatisch zu verortende Autorinnen und Autoren mit ihren Texten.

Dirk v. Petersdorff: Literaturgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Von 1945 bis zur Gegenwart. Verlag C. H. Beck. 128 S., brosch., 8,95 €.

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