Unterbezahlt und unterbewertet

Kommunen suchen händeringend Erzieherinnen und Erzieher, beim Gehalt wird aber nach wie vor geknausert

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 3 Min.
Gestern begannen die Tarifgespräche für die mehr als zwei Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Eine kleine Gruppe sind die Erzieherinnen und Erzieher in kommunalen Einrichtungen. Sie stehen beispielhaft für eines der drängendsten Probleme des öffentlichen Dienstes: die strukturelle Unterbezahlung.

Erzieherin Stephanie P. aus Frankfurt am Main hat es vergleichsweise gut getroffen. Die Mittvierzigerin arbeitet in einer Kita, die von behinderten und nichtbehinderten Kindern besucht wird. Weil sie über Zusatzqualifikationen verfügt und diese von ihrem Arbeitgeber, der Stadt Frankfurt auch honoriert werden, erhält sie einen Zuschlag zum üblichen Erzieherinnengehalt. Die Realität für das Gros der Frühpädagogen ist jedoch eine andere: Im Schnitt verdienen nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Berufseinsteiger 2090 Euro brutto im Monat bei einer vollen Stelle, nach 15 Jahren beträgt das Gehalt 2930 Euro.

Auch der Vergleich mit anderen Berufsgruppen fällt für das Kita-Personal ungünstig aus. Laut Mikrozensus 2010 liegt das Nettoeinkommen von Erzieherinnen und Erziehern mit knapp 1400 Euro im Monat über alle Beschäftigungsbereiche hinweg knapp 200 Euro unter dem Einkommen der Erwerbstätigen insgesamt. Der Nettoverdienst ist damit ähnlich gering wie der in anderen Berufen im Bereich Soziales und Gesundheit mit hohem Frauenanteil (nur drei Prozent der Kita-Beschäftigten sind männlich). Deutlich mehr verdienen dagegen die Beschäftigten in der Banken- und Versicherungsbranche (knapp 1900 Euro).

Der schlechten Bezahlung (auch im Vergleich zu anderen pädagogischen Berufen, so verdient ein Studienrat als Einsteiger an einem Gymnasium je nach Bundesland zwischen rund 3000 und 3700 Euro; im Laufe der Jahre steigt das Gehalt auf über 4000 Euro) stehen gestiegene Anforderungen gegenüber. Ein Beispiel unter vielen: Über ein Bundesprogramm zur Sprachförderung an Kitas werden derzeit verstärkt Pädagoginnen mit Zusatzqualifikationen eingestellt. Die höhere Qualifikation schlägt sich jedoch nur bedingt in einem besseren Gehalt nieder. »Je nach Gehaltsstufe haben die Kolleginnen zwischen 100 und 180 Euro mehr als andere Erzieherinnen«, erläutert der Referent für Jugendhilfe und Sozialarbeit beim GEW-Hauptvorstand, Bernhard Eibeck.

Der Unmut der Beschäftigten wächst. Laut einer Studie der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di stufen drei Viertel der Erzieherinnen und Erzieher ihr Einkommen als zu niedrig ein - zehn Prozent mehr als in anderen Dienstleistungsjobs. Demgegenüber stehen eine hohe Motivation und Identifikation mit dem Beruf. So sind laut ver.di-Befund 78 Prozent der Erzieherinnen und Erzieher mit ihrer Arbeit vollständig oder zumindest überwiegend zufrieden, obwohl andererseits eine Mehrheit über Lärmbelastung und hohes Arbeitspensum klagt. Der hohe Grad an Zufriedenheit fuße auf einer so genannten intrinsischen Motivation, d.h. Erzieherinnen übten die Tätigkeit in erster Linie um ihrer selbst Willen aus, erläutern die Autoren in ihrer Studie.

Dennoch erwarten die Beschäftigten in den kommunalen Kitas nach Jahren der Stagnation ein deutliches Lohnplus, erläutert die Tarifexpertin der GEW, Ilse Schaad. Die Inflation habe den geringen Anstieg der Gehälter vergangener Jahre aufgefressen. Die Verhandlungsführerin der GEW bei der Tarifrunde beziffert den Reallohnverlust der Erzieherinnen und Erzieher seit dem Jahr 2000 auf rund fünf Prozent. »Die Arbeitgeber fordern immer mehr, doch geben nicht mehr«, kritisiert Stephanie P. Möglichen Arbeitskämpfen sieht sie optimistisch entgegen - beim letzten großen Kita-Streik 2009 wurde ihre Einrichtung einige Wochen lang bestreikt.

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