Russland lehnt Ultimatum ab
Neuer Vorstoß des Sicherheitsrates im Syrien-Konflikt
New York/Damaskus (AFP/dpa/ nd). Russlands Außenminister Sergej Lawrow signalisierte am Dienstag Unterstützung für die Erklärung sowie eine mögliche UN-Resolution zu Syrien, nannte aber Bedingungen. Der für die UN-Erklärung von Frankreich eingebrachte Textentwurf droht mit »zusätzlichen Maßnahmen«, sollte Damaskus nicht binnen sieben Tagen nach dessen Verabschiedung den Friedensplan des UN-Sondergesandten Kofi Annan umsetzen. Um welche Maßnahmen es sich dabei handeln könnte, war zunächst unklar.
Syriens Präsident Baschar al-Assad und die Opposition werden demnach aufgefordert, »vollständig und sofort« Annans Sechs-Punkte-Plan zu verwirklichen. Dieser sieht unter anderem ein Ende der Gewalt, den Zugang für humanitäre Helfer, die Freilassung von Gefangenen und den Rückzug der Sicherheitskräfte aus Protesthochburgen vor.
»Wir sind bereit, die Mission des Syrien-Beauftragten von UNO und Arabischer Liga, Kofi Annan, und die der Regierung und der Opposition unterbreiteten Vorschläge zu unterstützen - nicht nur in Form einer Erklärung, sondern auch als Resolution«, sagte Russlands Außenminister Lawrow. Bedingung sei aber, dass kein Ultimatum gestellt werde, zudem müssten Annans Vorschläge offengelegt und im Sicherheitsrat diskutiert werden.
Eine Erklärung ist leichter zu verabschieden als eine Resolution, sie hat aber auch weniger Gewicht. Russland und China verhinderten im Sicherheitsrat mit ihrem Veto bereits zwei Mal, dass die Führung in Damaskus mit einer Resolution für die gewaltsame Unterdrückung der Protestbewegung im Land verurteilt wird.
Vor der Abstimmung im Sicherheitsrat bezeichnete UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die Lage in Syrien als »unerträglich und inakzeptabel«. Die Situation sei »eines der verstörendsten und besorgniserregendsten Probleme der internationalen Gemeinschaft«, betonte Ban in Indonesien. »Wir haben keine Zeit zu verlieren. Eine Minute oder eine Stunde bedeuten mehr Tote.« Es gehe um eine »moralische und politische Verantwortung der internationalen Gemeinschaft«.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) verurteilte am Dienstag erstmals schwere Menschenrechtsverstöße durch die bewaffnete syrische Opposition, darunter Entführungen, Folter und Hinrichtungen von Regierungsanhängern.
»Die brutale Strategie der syrischen Regierung kann keine Übergriffe durch bewaffnete Oppositionsgruppen rechtfertigen«, hieß es in einer Erklärung der Organisation. Einige Angriffe seien offenbar auch religiös motiviert und richteten sich gegen die schiitische oder alawitische Minderheit, der auch Assad angehört. Es habe zudem Berichte über Hinrichtungen gegeben. Die Organisation in New York forderte die Oppositionsführung auf, solche Taten zu verbieten und deutlich zu machen, dass derartige Menschenrechtsverletzungen nicht hinnehmbar seien. Human Rights Watch betonte weiter, dass die Protestbewegung noch bis September 2011 sehr friedlich gewesen sei. Doch dann habe sie mit dem Argument der Selbstverteidigung begonnen, sich zu bewaffnen.
Aus türkischen Diplomatenkreisen verlautete, dass die für den 2. April in Istanbul geplante Konferenz der »Freunde Syriens« um einen Tag vorgezogen wird. Dies habe »technische« Gründe. Ein erstes Treffen der Gruppe von Staaten, die den Druck auf Damaskus erhöhen will, hatte Ende Februar in Tunis stattgefunden.
Einen Tag nach den heftigen Gefechten in der Hauptstadt Damaskus haben Regierungstruppen nach Angaben von Regierungsgegnern erneut die Protesthochburgen Syriens unter Beschuss genommen. Dabei seien am Dienstag mindestens neun Menschen ums Leben gekommen, die meisten in Al-Rastan und dem Al-Chalidija-Viertel in Homs, wie die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte. Deren Angaben sind nicht überprüfbar. Auch in der Provinz Hama habe es Angriffe der Armee von Assad gegeben.
Damaskus, wo sich am Vortag in einem Nobelviertel Rebellen und Assad-Soldaten schwere Kämpfe geliefert hatten, war am Dienstag massiv abgesichert.
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