Linksfraktion empört Friedensbewegung
Die LINKE sorgt mit einem Antrag zur Verbesserung der Situation von Soldaten im Kriegseinsatz für Aufregung
Soll sich eine Antikriegspartei um die Situation der Soldaten im Kriegseinsatz sorgen? Die Mehrheit der Linksfraktion findet ja und fordert deshalb in einem Antrag kostenfreies Internet und Telefonieren für im Ausland eingesetzte Soldaten. Dies sei wichtig für die »psychische Gesundheit«. Die Friedensbewegung ist entsetzt, und auch in der Fraktion selbst wollten mehrere Abgeordnete dem Antrag, der gestern im Bundestag auf der Tagesordnung stand, die Zustimmung verweigern.
Aus Sicht des linken Außenpolitikers Wolfgang Gehrcke passt das Anliegen durchaus zu einer Friedenspartei. Soldaten sind für ihn nicht nur Täter, sondern auch »Opfer von Propaganda oder Abenteuerlust«. Zum anderen glaubt er, dass ein funktionierender Draht zu den Liebsten in der Heimat Exzesse verhüten helfen kann. »Wenn Soldaten immer nur unter sich sind, wächst der Hang zur Gewalt, geht die Verrohung schneller, greift die militärische Entmenschlichung stärker um sich«, so Gehrcke gegenüber »nd«.
Der Antrag der LINKEN ist fast wortgleich zu einem interfraktionellen Antrag von Union, FDP, SPD, Grünen, der gestern beschlossen werden sollte. Anders als Gehrcke, bauen sie aber darauf, dass die Verbesserung der »Betreuungskommunikation im Einsatz entscheidend für die Motivation und Einsatzbereitschaft« der Soldaten sei. Weil die LINKE bei der Ausarbeitung außen vor blieb, habe man einen eigenen Antrag eingebracht, hieß es in der Fraktion.
Das Unverständnis in der Friedensbewegung ist groß. Protestmails von empörten Friedensaktivisten füllen die Posteingänge der Linksfraktionsabgeordneten. Der Geschäftsführer der Friedenorganisation DFG-VK, Monty Schädel, forderte in einem Brief an die Fraktion die Rücknahme des »Krieg verlängernden Antrags«. Für Schädel sind kostenlose Flatrates ein unnötiger »Wohlfühlbonus« für Soldaten, die eher zum Durchhalten ermuntern.
Die LINKE wollte den Antrag jedoch mehrheitlich nicht absetzen lassen, wie es auch in den eigenen Reihen gefordert wurde. Eine strömungsübergreifende Koalition hat sich gegen den Antrag verbündet. Sie reicht von Parteilinken wie Ulla Jelpke bis zu Realos wie Raju Sharma. Mehr als ein Dutzend LINKE-Parlamentarier wollten gestern gegen den Antrag ihrer Fraktion stimmen und ihre Ablehnung überdies in einer schriftlichen Erklärung zu Protokoll geben. Sie sehen in der Gebührenbefreiung eine ungerechtfertigte Besserstellung von Soldaten, die ohnehin täglich 110 Euro Auslandszulage bekämen. Zudem fürchten sie, dass die anderen Parteien Recht haben: »Was da gefordert wird, schafft Anreize zum Kriegsdienst, und nicht Anreize zum Verweigern«, heißt es.
Zugleich bemühen sich die Kritiker, den Konflikt nicht hochzukochen. So betonen die Abgeordneten in ihrer Erklärung, dass sich über die Forderung nach Abzug aus Afghanistan alle Fraktionsmitglieder weiterhin einig sind. Der Dissenz bestehe ausschließlich in der Frage, wie man mit den eingesetzten Soldaten umgeht. Genauso äußert sich auch die »Kümmerer«-Seite. Sie scheint schon bei der Antragsformulierung geahnt zu haben, dass es Ärger geben könnte. »Ein besserer Schutz« der Soldaten, heißt es nämlich darin, »wäre jedoch die sofortige Beendigung aller Bundeswehrkriegseinsätze. Im Übrigen würde dies auch die Anstrengungen zur Verbesserung der Betreuungskommunikation überflüssig machen.«
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.