Linke Kartografie
Kartografen malen Nachrichten und stellen die Welt in einem besonderen Format dar. Wie Zeitungsartikel und Radiobeiträge können auch Karten aus emanzipatorischer Sicht gestaltet werden, um auf Informationen aufmerksam zu machen, die im Mainstream unbeachtet bleiben. »Karten sollen zeigen, was sichtbar ist. Unsere Pflicht als engagierte Kartografen sollte es aber sein, zu zeigen, was nicht sichtbar ist«, sagte Philippe Rekacewicz am Donnerstag in seinem Vortrag bei der LiMA. Der Kartograf und Journalist zeichnet für die Monatszeitung »Le Monde diplomatique« und die UNO. Zudem unterstützt er Nichtregierungsorganisationen im Kampf gegen die Abschottung Europas gegen Einwanderer aus aller Welt. Er glaubt an die Macht von Karten, die Welt von morgen zu beeinflussen.
Es scheint, als habe Rekacewicz eine Mission. Er will in seinem Vortrag nicht einfach zeigen, wie man Karten anders gestalten kann, wie sie schöner wirken. Er will überzeugen. Dafür sensibilisiert der Franzose sein Publikum zunächst für das Thema Wahrnehmung. Karten seien absolut subjektiv, sie zeigten immer die Wahrnehmung der Realität desjenigen, der sie angefertigt hat.
Die eigentliche Kraft von Karten sieht der Journalist darin, dass sie Informationen zusammenfügen und damit Zusammenhänge verdeutlichen können – er selbst nutzt dafür gern grelle Farben. Eines seiner Werke zum Thema Migration und Flüchtlinge enthält etwa dicke rote Linien, die sich durch das Mittelmeer und den Panamakanal ziehen. Sie zeigen, dass Nordamerika und Europa – die sogenannte westliche Welt – für die Menschen aus Südamerika und Afrika nicht erreichbar sind. Eine andere Grafik, die Rekacewicz in einem Projekt mit Nichtregierungsorganisationen erarbeitet hat, verdeutlicht die Abschottungspolitik der EU. Rekacewicz stellt eine direkte Beziehung zwischen den Toten an der Schengen-Grenze sowie der steigenden Zahl und Intensität an EU-Direktiven und -Verordnungen zur Eindämmung illegaler Einwanderung her. Dazu hat er zwei blaue sich stufenweise annähernde Grafen gemalt. Der obere drückt regelrecht auf die unten größer werdenden mit roten Punkten dargestellten Flüchtlinge, die schon ihr Leben verloren. Nach Angaben von Hilfsorganisationen sind es seit 1993 schon 16.000. Für Rekacewicz ist klar: „Der Schengen-Raum hat die gefährlichste Grenze der Welt." Es war ihm ein persönliches Anliegen, dies darzustellen. Rekacewicz sieht es als seine Pflicht als Journalist, darüber aufzuklären und gegen die Verantwortlichen vorzugehen. „Es ist illegal, die Grenzen für Migranten zu schließen, nicht dass die Menschen aus ihrer Not nach Europa kommen", sagt er eine Art Plädoyer abschließend – ein wirklich engagierter Kartograf.
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