Peter Sodann bittet nur um Vernunft
Schauspieler schuf eine Heimat für DDR-Bücher / Große Erwartungen und leise Versprechen bei »nd im Club«
Wie viele Menschen Lebensmittel wegwerfen, das bereitet in diesen Tagen der Öffentlichkeit Kopfzerbrechen. Viel weniger hat die massenhafte Vernichtung von Büchern die Öffentlichkeit berührt. Bücher, die das Leben in der DDR begleiteten. Nach deren Ende war vielfach auch ihr Schicksal besiegelt. Auf Halden entsorgt, untergepflügt, dem Wertstoffkreislauf zugeführt. »Jetzt schmeißen sie dein Leben weg«, dachte mancher im Angesicht der Tragödie.
Auch Peter Sodann dachte so, wie er am Mittwochabend bekennt. Wieder einmal bekennt. Wieder einmal erzählt er von seiner Mission. Sodann ist beim »nd im Club« im Münzenberg-Saal zu Gast und grantelt etwas. Seit 20 Jahren rettet er Bücher, aber heute ist die Last der 1,5 Millionen Exemplare ihm anzumerken, die er inzwischen gesammelt, bekommen, abgeholt und an ihrem Überlebensort gestapelt hat. »Keinen Kaffee und nischt zu essen« kriege man bei den Linken, sagt er und meint die Leute vom »neuen deutschland« und auch Dagmar Enkelmann, die als Vizevorsitzende der Rosa-Luxemburg-Stiftung gekommen ist.
Kein Kaffee? Der einstige Tatort-Kommissar nörgelt mit Hingabe. Gut gefüllt ist der Saal. Dutzende Augenpaare hängen an seinen Lippen. Bereit, mit ihm zu lachen oder zu weinen oder wütend zu werden. Dies ist eine gute Gelegenheit, der Welt sein Problem vor Augen zu führen. In einem Kuhstall hat er kilometerweit Regale untergebracht, die neue Bücherheimat. Damit man Gedrucktes bei ihm abgeben, lesen oder kaufen kann, braucht Sodann ein Hotel in seinem Vierseitenhof, ein Leserestaurant. Vor allem aber braucht er Arbeitskräfte, die die Bücher katalogisieren, und Geld, mit dem er sie bezahlen kann. Es ist ein nicht versiegender Strom, der in Staucha anlandet. Mancher abgewickelte DDR-Professor, erzählt Sodann, war erleichtert, seine Bibliothek bei ihm zu hinterlassen, gesammeltes Wissen, für das sich heute niemand mehr interessiert. Zum Überwintern vielleicht. Die Hoffnung, dass dem in der DDR geschriebenen Wort, dem in der DDR gedachten Gedanken Gerechtigkeit widerfährt, eint alle hier im Saal.
Zusätzlicher Eifer erwächst, wo ähnliche Bedürfnisse berührt werden. In Staßfurt folgte der 71-jährige Rolf Funda zunächst dem Drang, Erinnerungen aufzuschreiben. Für die Kinder und Enkel zuerst, »denn irgendwann biste weg«. An die Nachkommen »weit, weit nach uns« denkt er inzwischen. Ein Artikel im »neuen deutschland« hat ihm überraschenden Zulauf beschert und seine Idee zur Bewegung werden lassen. Zwei, drei Erinnerungsbücher erhält er jeden Tag von Gleichgesinnten. In der Summe entsteht etwas, das vom wahren Leben in der DDR erzählt, hofft er. Sodann bietet ihm eine Nische in seiner Bibliothek.
Auch Erik Rohrbach ist zum Verbündeten geworden. Minibücher sind seine Passion, sie selbst zu schreiben inzwischen auch. Wie Funda ermuntert er seine Zeitgenossen, es ihm nachzutun. Einem 84-jährigen Anrufer habe er auf die Frage, ob er nicht zu alt sei, geantwortet, einer seiner Autoren sei 92 und arbeite am dritten Minibuch. Es kamen 371 handbeschriebene Seiten.
Mancher hat sich schon gefragt, wann dem Sodann die Sache über den Kopf wachsen wird. Er selbst wohl auch. Doch in Dagmar Enkelmann hat er ja eine Unterstützerin. Sie verspricht Hilfe. Und dämpft zugleich Erwartungen. Arbeitskräfte kann die Stiftung in Staucha nicht finanzieren. Er wolle nicht betteln, sagt Peter Sodann. Er bitte nur um Vernunft.
Rolf Funda: 03925 300312
Erik Rohrbach: 0335 24486
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