Ohne Widerspruch kein Geld zurück
BGH-Urteil zu Gaspreiserhöhungen
Verbraucher können sich gegen Gaspreiserhöhungen durch unwirksame Anpassungsklauseln nur wehren, wenn sie innerhalb von drei Jahren nach Zugang der Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, widersprechen. Dies entschied der BGH in Karlsruhe und sorgte damit für eine längst fällige Klarstellung. Viele Gasversorger hatten jahrzehntelang Preisanpassungsklauseln in Erdgas-Sonderkundenverträgen verwendet, die ihnen eine stete Anhebung der Preise erlaubte.
Der BGH hatte diese 2008 für nichtig erklärt, aber nun erst geklärt, wie es mit möglichen Rückforderungen aussieht (Az. VIII ZR 113/11 und VIII ZR 93/11). Verbraucherschützer und Mieterbund äußerten sich enttäuscht, die Energiewirtschaft sprach dagegen von einer »Entscheidung mit Augenmaß«.
Dem BGH lagen zwei Verfahren zur Rückzahlung von Geldern im Zuge von Gaspreiserhöhungen zugrunde. Nach Feststellung des VIII. BGH-Zivilsenats können Kunden angesichts der teils viele Jahre laufenden Verträge bei ihren Rückzahlungsansprüchen auch nicht auf den niedrigen Preis pochen, der zu Vertragsabschluss vereinbart worden war.
Die Fälle wurden an die Landgerichte Hamburg und Köln zurückverwiesen. Diese müssen nun prüfen, wann den Kunden die Jahresabrechnungen zugegangen sind und gegen welche Preiserhöhungen die jeweiligen Widersprüche daher noch rechtzeitig vor Ablauf von drei Jahren erhoben worden sind. Damit hatten die Revisionen der beiden Energieversorger E.ON Hanse Vertrieb GmbH und der Bergischen Energie- und Wasser-GmbH Erfolg.
»Das Urteil hinterlässt einen faden Beigeschmack«, meinte Mieterbund-Direktor Lukas Siebenkotten in einer Mitteilung. Verbraucher könnten bei Rückforderungsansprüchen nicht einfach von den Preisen ausgehen, die bei Abschluss des Sonderkundenvertrages galten. Entscheidend sei, ob und wann sie Preiserhöhungen reklamierten.
Der Energieexperte von der Verbraucherzentrale Bundesverband, Thorsten Kasper, sieht immerhin Rechtsklarheit. »Für die Zukunft sind die Spielregeln jetzt klar.« Ihm zufolge wurden und werden in der Energiewirtschaft unterschiedliche Klauseln angewandt. Er rät deshalb: »Im Zweifel sollte der Verbraucher Widerspruch einlegen. Das ist besser als zu schweigen und zu zahlen.« Verbraucherzentralen könnten weiterhelfen.
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sieht dagegen mit dem Urteil auch die »Entwicklungen auf der Kostenseite der Energieversorger« gewürdigt. Die Unternehmen hätten lediglich die gestiegenen Bezugskosten an ihre Kunden weitergegeben. Der BGH hatte 2008 die Klausel für Sondervertragskunden gekippt, weil diese nicht deutlich gemacht habe, in welchem Umfang die Preise erhöht werden dürften. Dies benachteilige den Gaskunden unangemessen, urteilten die Karlsruher Richter damals.
In wie vielen Verträgen die nichtige Klausel steht und wie viele Klagen anhängig sind, ist unklar. Nach Angaben des Energie- und Wasserwirtschaftsverbandes werden 19 Millionen Haushalte in Deutschland mit Gas versorgt. Davon haben 10 Millionen Kunden einen direkten Vertrag mit einem der 800 Anbieter. dpa/nd
Rechtsanwalt Jürgen Naumann hatte im Jahre 2010 im nd-Ratgeber (Nr. 952 bis 967, S. 5) ausführlich über die Auseinandersetzungen um die nichtigen Preisanpassungsklauseln vor Gericht berichtet.
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