Physik in der Küche
Wie entsteht ein festes und schmackhaftes Osterei?
Folgt man seinem Erfinder Ian Fleming, dann legte der britische Geheimagent James Bond stets großen Wert auf ein perfekt gekochtes Ei. In der Episode »Liebesgrüße aus Moskau« (1957) erfährt man auch, wie lange »007« seine Eier kochen ließ, damit sie anschließend schön weich waren: drei und ein Drittel Minuten.
Was damals funktioniert haben mag, könnte heute Probleme bereiten. Denn die im Haushalt verwendeten Eier sind in den letzten Jahrzehnten deutlich größer geworden und brauchen folglich mehr Kochzeit als drei bis vier Minuten. Außerdem ist die Zeit allein kein sicherer Indikator dafür, ob ein Ei weich, wachsweich oder hart gekocht ist. Dies hängt zusätzlich von der Ausgangstemperatur des Eies ab. Nimmt man beispielsweise ein handelsübliches XXL-Ei mit einem Durchmesser von 50 Millimetern aus dem Kühlschrank und legt es vorsichtig in kochendes Wasser, ist es nach etwa 6,2 Minuten wachsweich gekocht. Hat sich das Ei zuvor auf Zimmertemperatur erwärmt, genügen 5,5 Minuten.
Dass Eier überhaupt weich gekocht werden können, liegt keineswegs auf der Hand. Denn während das im Kern befindliche Eigelb schon bei 65 Grad Celsius (°C) stockt, benötigt das überwiegend aus dem Protein Ovalbumin bestehende Eiklar eine Temperatur von 84,5 °C, um richtig hart zu werden. So betrachtet, müsste der Dotter eigentlich schneller erstarren als das Eiweiß. Warum das nicht geschieht, erklärt der österreichische Physiker Werner Gruber so: Durch das heiße Wasser wird dem Ei fortwährend thermische Energie zugeführt, die zunächst genutzt wird, um das Eiweiß gerinnen zu lassen. In dieser Zeit ist der Dotter gewissermaßen von der äußeren Hitzequelle abgekoppelt. Erst wenn das Eiklar als Ganzes fest geworden ist, gibt es die aufgenommene Wärme an den Dotter weiter.
Anders als am Frühstückstisch sind zu Ostern hart gekochte Eier gefragt, die beim Verstecken und Suchen nicht so leicht zerdrückt werden können. Die Kochzeit hierfür beträgt sieben bis maximal zehn Minuten. Noch länger sollte man ein Ei auf keinen Fall kochen, meint Gruber, der an der Universität Wien die ungewöhnliche Forschungsrichtung »kulinarische Physik« vertritt: »Nach zehn Minuten entsteht im Ei Schwefelwasserstoff. Man erkennt das an der grünlichen Schicht, die sich um den Dotter bildet, und man kann es auch riechen.« Zwar seien solche Eier nicht giftig, aber sie schmeckten irgendwie fade.
Viele Menschen stechen das stumpfe Ende eines Eies vor dem Kochen mit einer spitzen Nadel an. Dadurch könne die dort befindliche Luft entweichen und das Ei beim Kochen nicht platzen, heißt es häufig zur Begründung. Die leider unzutreffend ist. Denn wie jeder weiß, platzen Eier nicht nur am stumpfen Ende, sondern an allen möglichen Stellen. Es stimmt zwar, dass sich die Luftblase im Ei beim Erhitzen ausdehnt. Aber dieser Vorgang erfolgt sehr langsam und mit geringer Volumenzunahme. Hinzu kommt, dass ein Ei nicht luftdicht abgeschlossen ist. Vielmehr besitzt die Schale winzige Poren, durch die Luft austreten kann. Die sich dabei bildenden Bläschen sind beim Kochen gewöhnlich nicht zu übersehen.
Ein Ei platzt, meint Gruber, weil sich in seiner aus Kalkspatkristallen bestehenden Schale Spannungen aufbauen, die bei einer Temperaturänderung häufig dazu führen, dass die Schale aufbricht. Deshalb empfiehlt auch er, Eier vor dem Kochen anzustechen. Dadurch nämlich wird die Schale mechanisch entlastet und so vor dem raschen Zerplatzen geschützt. Aber Vorsicht! Bei einem Stich in die spitze Eiseite besteht die Gefahr, dass durch das Loch Eiweiß austritt und hinterher etwas unästhetisch im Kochwasser herumschwimmt.
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