Die Suche nach dem grünen Superreis

1400 Menschen forschen in einem Institut auf den Philippinen am Weltnahrungsmittel Nummer eins

  • Michael Lenz, Manila
  • Lesedauer: 5 Min.
Reis ist das global wichtigste Grundnahrungsmittel. Und die Nachfrage steigt, vor allem in Asien. Es ist deshalb selbstverständlich, dass die Reispflanze dort auch eines der wichtigsten biologischen Forschungsobjekte darstellt. Zum Beispiel in Los Banos auf den Philippinen.
Björn Ole Sander: Von Schleswig-Holstein auf die Philippinen
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Hier, im Internationalen Reisforschungsinstituts (IRRI), lagern in mattgrauen Aluminiumdosen 112 000 Reistypen, moderne Reisarten genauso wie traditionelle Sorten und wilde Verwandte des Reises. Bei vergleichsweise milden Temperaturen von zwei bis vier Grad werden jene Reissorten aufbewahrt, die für die Verteilung an Bauern und Reisanbauprojekte bestimmt sind. Frostige minus zwanzig Grad aber herrschen nebenan, wo sich in Stahlregalen bis zur Decke Reissamen befinden, die vielleicht erst in ferner Zukunft benötigt werden.

Einer Gruppe von Reisbauern aus Indien, Indonesien und Thailand, die an einem Seminar des IRRI teilnehmen, reicht ein schneller Rundgang durch die Reisgenbank. Bibbernd drängen sie hinaus in die Wärme des Vorraums, wo Arbeiterinnen an langen Tischen neu eingegangene Reisproben sortieren. Flora de Guzman, Herrin der größten Reisgenbank der Welt, erklärt stolz den Zweck der Einrichtung. »Wir hier sind die letzte Verteidigungslinie für Regierungen, Bauern und Wissenschaftler. Mit Samen aus der Reisbank haben wir zum Beispiel nach den Kriegen in Kambodscha und Osttimor den Reisanbau wieder aufgebaut.«

Wer mehr verdient, isst Reis statt Maniok

Das IRRI ist in Los Banos auf den Philippinen beheimatet. Kurvenreich windet sich die Straße durch einen dichten grünen Dschungel an den Hängen des Vulkans Makiling hinauf zur Stadt, deren heiße Quellen ein beliebtes Ausflugsziel der Filipinos aus der nahen, lauten und überbevölkerten Metropole Manila sind. Auf einer weiten, von Vulkanen überragten Ebene am Stadtrand erstrecken sich die schmucklosen Flachbauten des IRRI und smaragdgrüne Reisfelder, auf denen die von Forschern gezüchteten neuen Reisarten getestet werden.

Für drei Milliarden Menschen weltweit ist Reis das Grundnahrungsmittel, wobei Asien als Heimat des Reises für 90 Prozent der Weltproduktion gut ist. Tendenz steigend. Das Bevölkerungswachstum ist eine Ursache für die steigende Nachfrage nach Reis. Ein anderer Grund sind veränderte Ernährungsgewohnheiten in Afrika und vor allem von Asiens wachsender Mittelklasse. »Wer mehr Geld verdient, steigt von Mais oder Maniok auf Reis um«, weiß Achim Dobermann, stellvertretender IRRI-Forschungsdirektor.

Reis ist in den Zeiten der zunehmenden Wasserknappheit und des Klimawandels ein Problemfall geworden. Für die Erzeugung von einem Kilo Reis werden 3000 bis 5000 Liter Wasser benötigt. Zudem trägt die Reisproduktion durch den extrem hohen Ausstoß des Treibhausgases Methan erheblich zur globalen Erwärmung bei. Keine Kulturpflanze sondert so viel Methan ab wie Reis. Der Reisanbau ist nach Schätzungen des Weltklimarats einer der Hauptgründe für steigende Emissionen von Methan, das nach Kohlendioxid als Nummer zwei der Klimagase gilt. Genug Arbeit also für die Reisforscher in Los Banos bei ihrer Suche dem »grünen Superreis«, der Dürren, Überschwemmungen oder versalzten Böden trotzt, sich effektiv anbauen lässt, hohen Ertrag bringt und auch noch schmeckt.

Das IRRI hat seit seiner Gründung Anfang der 60er Jahre eine stolze Bilanz vorzuweisen. »Wir haben 843 Reisarten produziert, die in 77 Ländern eingesetzt werden«, sagt Dobermann. Ein Beispiel aus jüngster Vergangenheit ist die Einführung der beiden dürretoleranten Reisarten BRRI dhan56 und BRRI dhan57 in Bangladesh, das immer wieder von Trockenphasen heimgesucht wird.

Allein die Reisbauern in Südostasien produzieren durch Sorten, die von IRRI verbessert oder entwickelt wurden, zusätzlichen Reis im Wert von 1,46 Milliarden Dollar pro Jahr. Zwischen 1985 und 2009, so eine aktuelle Studie des Australischen Zentrums für internationale Agrarforschung, sei der Reisertrag durch neue Sorten um 13 Prozent gestiegen. Es kommen Reisarten zum Einsatz, die krankheitsresistent sind, Trockenheit ertragen, Hochwasser überstehen oder Schädlingen Paroli bieten.

1400 Menschen, darunter 120 Promovierte aus aller Welt, arbeiten am IRRI. Hinzu kommen über den gesamten Globus verteilte Kooperationspartner. »Allein am C4-Projekt sind gut 15 Forschungsgruppen aus der ganzen Welt beteiligt«, sagt Dobermann über die vielleicht ambitionierteste Vision des IRRI. Kurz gesagt geht es darum, der C3-Pflanze Reis einen effizienteren Photosyntheseapparat einzubauen, ähnlich dem der C4-Pflanzen Mais, Sorghum oder Zuckerrohr. Der Ertrag eines solchen C4-Reises könnte sich trotz des verringerten Einsatzes von Wasser und Dünger um bis zu 50 Prozent erhöhen.

Resistent auch gegen versalzte Böden

Glenn Gregorio hat sein Forscherleben der züchterischen Weiterentwicklung von Reissorten gewidmet, die versalzte Böden tolerieren oder längere Überschwemmungen vertragen oder besser noch als »Two in One«-Sorte beides. Solche Reissorten können entscheidend sein für die Sicherung der Lebensgrundlage von Millionen von Reisbauern in Regionen wie dem Mekongdelta in Vietnam oder an der flachen Küste Bangladeshs.

Kleinbauern mit ein bis anderthalb Hektar großen Reisfeldern seien von diesen Problemen besonders betroffen.

Die Nahrungsmittelkrise 2007/08 hat deutlich gemacht, dass die Ernährungssicherheit nicht mehr als gegeben angesehen werden kann. Seitdem geht es mit dem Budget des Instituts, aktuell 60 Millionen Dollar, langsam wieder aufwärts. »Zur Ausschöpfung unseres Potenzials würden wir um die 80 Millionen benötigen, langfristig und nicht nur für ein paar Jahre. Aktuell besteht unser Etat aber zu 70 Prozent aus Projektmitteln. Das bietet wenig Raum für Flexibilität«, sagt Dobermann.

Umweltschützer sind misstrauisch

Unter den 80 Geldgebern - Regierungen und private Spender wie die Gates Stiftung - ist mit knapp 1,5 Millionen Dollar auch die Bundesregierung. Darüber freut sich Dobermann, wenngleich er findet: »Wenn Deutschland eine Führungsrolle möchte, wäre die Festlegung eines Forschungsschwerpunktes besser, so wie das andere Länder auch tun, die das IRRI langfristig unterstützen. An einem Interesse der Wissenschaft in Deutschland jedenfalls mangelt es nicht.«

Mit Argusaugen wird das IRRI von Umweltschützern betrachtet. Dobermann wehrt sich aber vehement gegen den Vorwurf, das IRRI sei eine gentechnische Alchimistenküche. »Wir nutzen Methoden der molekularen Biologie in unserer Züchtung, aber das hat nichts mit Gentechnik zu tun. Gentechnik wird immer der Ausnahmefall bleiben für ein paar wenige Merkmale, die man anders nicht verändern kann.«

Die Reisbauern schätzen die Arbeit des IRRI, stehen ihr aber auch misstrauisch gegenüber. Björn Ole Sander hat mit seinem Projekt die Erfahrung gemacht, dass man zur Überzeugung der Bauern Geduld braucht. Es hat zum Ziel, mit geringerem Wassereinsatz auf den Reisfeldern den gleichen Ertrag zu erzielen und dabei weniger Treibhausgase auszustoßen. »Die Bauern waren zunächst skeptisch gegenüber dem jungen Mann aus Kiel, der ihnen erzählt, dass sie alles anders machen sollen als bisher«, erinnert sich der 29-jährige, der zur Klimawandel-Arbeitsgruppe des IRRI gehört. An die beschauliche Idylle von Los Banos hat sich der Sohn eines Landwirts aus dem Dorf Brügge längst gewöhnt.

Die Botschaft am Eingangstor des IRRI: Reiswissenschaft für eine bessere Welt.
Die Botschaft am Eingangstor des IRRI: Reiswissenschaft für eine bessere Welt.
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