Turbulenzen im Festjahr

Präsident geht: Ost-Genossenschaftsverband am Scheideweg

  • Hendrik Lasch, Chemnitz
  • Lesedauer: 3 Min.
2012 ist UNO-Jahr der Genossenschaften. Doch in deren mitteldeutschem Verband gibt es jenseits aller Feiern und Vorhaben einen Führungswechsel und harte Debatten über die künftige Ausrichtung.

Am 23. Mai wird eine Premiere gefeiert. Erstmals treffen sich Vertreter von rund 1300 Genossenschaften aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen in Schkeuditz zu einer gemeinsamen Tagung. Anlass ist das UNO-Jahr, das dieser Form gemeinschaftlichen Wirtschaftens gewidmet ist.

Der Präsident des Mitteldeutschen Genossenschaftsverbandes (MGV), der stark mitgeholfen hat, das UNO-Jahr in der Region vorzubereiten, schaut freilich mit sehr gemischten Gefühlen auf das Datum: Dietmar Berger will auf dem Verbandstag seinen Posten zur Verfügung stellen - nach 39-jährigem Engagement für die Genossenschaftsidee, davon 22 Jahre beim MGV. Vordergründiger Anlass für den Abschied des 61-Jährigen sind Debatten um ein Sanierungskonzept, das der Verband nach deutlichen Verlusten im vergangenen Jahr auflegen musste. Es sieht die Streichung von 17 Stellen und die Preisgabe der eigenen Niederlassungen in Chemnitz und Erfurt vor; auch die Verbandszeitschrift steht zur Disposition.

Die Turbulenzen sind Ausdruck einer problematischen Entwicklung. Wichtigste Aufgabe des Verbandes ist die gesetzlich vorgeschriebene Prüfung der Genossenschaften; damit erzielt er seine Haupteinnahmen. Allerdings gibt es beinharte Konkurrenz. Weil die Anforderungen an einen Prüfungsverband, dem keine Banken angehören, nedrig sind, buhlen allein in Sachsen auch neun kleinere und kleinste Mitbewerber um die Genossenschaften - oft mit Kampfpreisen. Wer mit dem Zeugnis oder den Kosten unzufrieden ist, wechselt einfach zu einem anderen Prüfer. Die Entwicklung, sagt Berger, sei als »Kannibalisierung« zutreffend beschrieben.

Zugleich wächst auch der Wettbewerb zwischen den sechs großen deutschen Verbänden, von denen der MGV der einzige mit Sitz in Ostdeutschland ist. 2011 wechselten mehrere Konsumgenossenschaften in den Genossenschaftsverband e. V. aus dem hessischen Neu-Isenburg, der Presseberichten zufolge mit Macht auf eine Konzentration in der Verbändelandschaft hinarbeitet. Sein Vorteil: Anders als dem MGV, der Agrar-, Produktiv- und Dienstleistungsgenossenschaften vereint, gehören dem Nachbarverband auch Volks- und Raiffeisenbanken an. Sie dürfen aus juristischen Gründen nicht in Kleinverbände wechseln - und garantieren so feste Umsätze.

Den MGV bringt die Entwicklung in eine schwierige Lage, die für heftige Diskussionen bei den Mitgliedern sorgt. Manche plädieren für eine Fusion mit dem Verband in Hessen - die der damals noch rein sächsische Genossenschaftsverband freilich 2002 schon einmal fast vollzogen hatte und aus gewichtigen Gründen aufkündigte. Man konnte sich weder über Stimmrechte noch über die Linie mit Blick auf Agrargenossenschaften einigen; die Ostdeutschen fühlten sich untergebuttert.

Umstritten ist auch das künftige Selbstverständnis des MGV. Dieser bot bisher neben den Prüfungen auch Seminare und Dienstleistungen an - und betrieb intensive Lobbyarbeit. Von Bergers energischen Äußerungen zur Altschuldenregelung oder der Kappung von EU-Beihilfen profitierten die Agrargenossenschaften im Osten - innerhalb wie außerhalb des Verbandes. Doch derlei »Trommeln« für Genossenschaftsinteressen hat seinen Preis. Den wollen manche Mitglieder künftig nicht mehr zahlen. Berger warnt dringend vor einer solchen Entwicklung. Damit werde der MGV »austauschbar«. Auch dürfe nicht unterschätzt werden, wie wichtig eine einheitliche Interessenvertretung für Genossenschaften in einem Umfeld sei, das der Unternehmensform trotz des UNO-Jahrs alles andere als aufgeschlossen gegenüberstehe. »Wenn wir es an Einigkeit fehlen lassen«, betont Berger, kämen die Kritiker der Genossenschaften »vor Lachen nicht in den Schlaf«. Ob die Worte Gehör finden, wird der Verbandstag zeigen.

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