Kunst-Köpfe

»Die Patriotin« von Thomas Martin an der Berliner Volksbühne

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Maske fällt. Ein tiefer Fall auf den Bühnenboden. So fallen Vorhänge, Schleier. Die Maske hatte hoch über der Bühne gehangen, an drei Seilen, die dann, am Ende, sirrend gekappt werden. Maskensturz zum Totentanz. So werden unverhüllte Verhältnisse kenntlich: Was mit der Maske fällt, ist quasi alle Verhüllung einer Lebenswelt durch Ritus, Sitte, Verabredung. Diese Verabredung war, dass Yoko ihrem Manne, dem Leutnant, in den Freitod folge. Er hatte nach verunglücktem Putsch die Aufgabe erhalten, seine Kameraden erschießen zu lassen. Er tut es nicht, richtet sich selbst. Aber auch Yoko tut das Landläufige nicht. Sie geht mit ihrer Todesbereitschaft in die Welt und holt sich den Grund fürs Sterben jenseits ständischer oder privatimer Gebote. Man stirbt nicht für Unterlassungen, man stirbt für Taten Yoko wird Terroristin.

Thomas Martin schrieb »Die Patriotin« nach Motiven der Erzählung von Yukio Mishima, der selbst, Gründer einer Privatarmee, 1970 rituellen Selbstmord beging. Gero Troike hat das Stück nun an Berlins Volksbühne inszeniert, im eigenen Raum - der in tiefschwarzen Grund einen Haus-Karton setzt, Papptafeln wandern und große Maskenköpfe eigenes Leben entwickeln lässt. Nimmt man Bild, Text, Ton zusammen: Das Fernöstliche und Heiner Müller, das seidig Schwingende und das schwer Tragische verbringen zwei kunstvoll bemühte Stunden miteinander. Ein Chor fragt, mahnt, lauert, wird inständig.

Bernd Grawert als toter Leutnant tritt kraftvoll und zugleich mit steinerner Statik in die vibrierende Erinnerung seiner Frau. Grawert: mit seiner genau auf der Schneide von Schärfe und Brüchigkeit balancierenden Stimme, ein Spieler zwischen Wucht und Wehmut - er offenbart Auftritte, die kein Außen wollen. Was er spielt, sind verkapselte Notrufe aus einem letztlich sinnlosen Wesen, das als Versager durch die Denknerven Yokos geistert.

Kathrin Wehlisch ist Yoko. Wehe Herrscherin in einem Monolog. Wehlisch wandelt, wankt, wahnt durch die Szene, die sich im Mittelgang des Zuschauerraumes bis weit nach hinten öffnet. Es gelingen bedrängende Bilder, wo zum Schwert gegriffen wird; als nackte, schwarz zerschmierte Zornesdienerin steht Yoko schließlich im Zenit ihres zielgerichteten Zerstörungswillens. Bis dahin ein wortgewaltiges Sinnieren über alles, was ein bürgerliches Leben bildet, ins hässlich Ideenlose drängt, die Frau zu fader Gefolgschaft degradiert. Theater als Langgedicht über eine schmerzhafte Art, zur Welt zu kommen. Wehlisch hart, heftig, ein Text, der hoch ist, hoch sein will und konsequent Herzausschluss betreibt.

Daher ist es ein anstrengender Abend geworden. Irgend eine Last hat er auf dem Weg ins Spiel nicht abstreifen können. Er wirkt, als befände er sich ständig in einer Bedeutungs-Bringeschuld. Aber ein Kopfstück, das mit Wehlischs und Grawerts dunkler, ernsthafter Kühle auf uns zukommt, ist dennoch ein unbedingter Gewinn im pulsierenden Betrieb.

Nächste Vorstellung: 3. Mai

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