Faktisch regiert der Rotstift
Zwei Jahre rot-grüne Minderheitsregierung - eine Bilanz
Schulden: Die Verschuldung von Kommunen und Land ist das zentrale Wahlkampfthema. Nach einem Urteil des Verfassungsgerichts, das einen Haushaltsentwurf für verfassungswidrig erklärte, setzte Rot-Grün auf vermehrte Sparanstrengungen. Bis 2020 soll die Neuverschuldung auf null sinken. CDU und FDP titulieren Ministerpräsidentin Hannelore Kraft als »Schuldenkönigin«, für die LINKE ist sie eine Kaputtsparerin. Der rot-grüne »Stärkungspakt Kommunalfinanzen« entlastet die besonders klammen Kommunen minimal, erzwingt aber weitere massive Sparanstrengungen (siehe Seite 2). Im Wahlkampf setzt die SPD auf Polemik gegen den Solidarpakt Ost (»Jetzt den Westen fördern!«).
Soziales: Hannelore Kraft behauptet, sie betreibe eine »präventive Sozialpolitik«, die »soziale Reparaturkosten« verhindere. Kein Kind solle zurückgelassen werden, so Krafts offizielles Credo. Doch faktisch regiert der Rotstift: Unterstützungsangebote für sozial Schwache werden zurückgefahren - trotz bereits bestehender Überlastung. Obwohl das Ruhrgebiet als Armenhaus Deutschlands gilt (jedes vierte Kind »lebt« dort von Hartz IV), will Rot-Grün die Programme gegen Kinderarmut um 70 Prozent kürzen.
Arbeit: Anfang 2012 konnte die niedrigste Arbeitslosenquote seit 1993 konstatiert werden. Sie liegt jedoch weiter über dem Bundesdurchschnitt. Mittlerweile arbeitet in NRW zudem jeder Vierte für einen Niedriglohn. Jeder zweite Arbeitslose ist seit mehr als zwei Jahren ohne Job. Rot-Grün hat zusammen mit der LINKEN ein Tariftreue- und Vergabegesetz verabschiedet, das soziale Mindeststandards bei Aufträgen der öffentlichen Hand sicherstellt. Unter Druck des DGB versprach Hannelore Kraft unlängst eine Ausbildungsplatzgarantie für alle Schulabgänger - ließ aber offen, wie sie dieses Ziel erreichen wolle.
Wirtschaft: Die SPD will den Industriestandort NRW »erhalten« - Hannelore Kraft wetterte sogar gegen den Atomausstiegsplan von Bundeskanzlerin Angela Merkel, weil dadurch Deindustrialisierung drohe. Die Grünen wollen mehr Ökounternehmen, sind aber nur der kleinere Koalitionspartner. Kritiker vermissen überzeugende Konzepte für den seit Jahrzehnten währenden Strukturwandel weg von Kohle und Stahl.
Energie: Im Rheinland stehen einige der klimaschädlichsten Braunkohlekraftwerke Europas. Sie werden zum Teil ausgebaut. Insgesamt sind derzeit in NRW sieben neue Kohlekraftwerksblöcke in Bau oder Planung - mit Ausnahme von Datteln IV (hier sollen die Gerichte klären, ob der »Schwarzbau« weitergebaut werden darf) haben die Grünen alle Neubauten abgenickt. Unter der rot-grünen Landesregierung der Jahre 1995 bis 2005 wurde eine Kapazitätserweiterung der Urananreicherungsanlage in Gronau genehmigt - um den Faktor drei. Die UAA ist eines der großen rot-grünen Tabuthemen.
Klima: NRW ist nicht nur »Energieland Nummer eins« mit starker Kohlefixierung, sondern immer noch stark industriell geprägt. Der Pro-Kopf-Ausstoß des Haupttreibhausgases Kohlendioxid ist 1,6-mal so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Schwarz-Gelb will im Bund die CO2-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent senken, Rot-Grün in NRW nur um 25 Prozent.
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