Linke Treffer, sehr versteckt
Warum die Linkspartei in NRW um den Wiedereinzug in den Landtag bangen muss
Am Mittwoch stellte die NRW-LINKE eine Studie zur Finanzlage des Landes und seiner Kommunen vor - zum wichtigsten politischen Thema des Landes also. Kernbotschaft: Schuld an der prekären Lage seien »Steuergeschenke an Reiche und Konzerne«. Bei einer anderen Steuerpolitik im Bund gerade in den Schröder-Jahren würde das Land heute über einen ausgeglichenen Haushalt und 4,3 Milliarden Euro für Zukunftsinvestitionen verfügen. Auch die Kommunen müssten keine milliardenschweren »Dispokredite« aufnehmen, um ihre laufenden Ausgaben tätigen zu können.
Die mediale Resonanz tendierte, wie so oft, wenn es um linke Inhalte jenseits von Skandälchen geht, gegen Null. Die populistische Polemik der SPD gegen den Solidarpakt Ost (»Perverses System«, »Jetzt ist der Westen dran«) hingegen bestimmte tagelang die Schlagzeilen. Ganz so, als sei der Osten schuld an der Misere des Westens.
Durchaus erfolgreich erwecken SPD und Grüne den falschen Eindruck, klug zu sparen, an den richtigen Stellen aber auch »schon mal Geld in die Hand zu nehmen« (Hannelore Kraft). Das wirkt auf den ersten Blick plausibel: Die CDU tituliert Kraft als »Schuldenkönigin« und fordert weitere Kürzungen. Die FDP agiert noch militanter, während die Piraten auch bei diesem Thema schwammig bleiben.
Die LINKE keilt währenddessen von der anderen Seite aus. Kurz: Kraft scheint auf dem goldenen Mittelweg zu wandeln. Mit der Wahrheit nehmen es die Damen und Herren Sozialdemokraten indes nicht so genau. »Kommunen weiter stärken«, so lautet ein Plakatslogan der SPD, garniert wird er mit einem am Computer aufgehübschten Bild ihrer huldvoll lächelnden Spitzenkandidatin Kraft. Dabei zwingt der »Stärkungspakt Kommunalfinanzen«, den Rot-Grün auflegte, besonders klamme Kommunen zu weiteren Kürzungen. Er stärkt nicht, er schwächt.
Ganz nüchtern festgestellt: Einzig die LINKE verfügt über einen stringenten finanzpolitischen Ansatz. Sie will die Einnahmen durch stärkere Besteuerung der Reichen und mehr Steuerprüfungen erhöhen und so die Handlungsfähigkeit von Land und Kommunen wiederherstellen. Sie formuliert Wegmarken für »ein soziales NRW«.
Auch im Parlament hat die LINKE durchaus gute Arbeit geleistet. Dank ihr wurden die Studiengebühren schneller abgeschafft. Ihr Druck hatte gewiss Einfluss auf die Etablierung eines Tariftreue- und Vergabegesetzes im öffentlichen Dienst, das Mindestlöhne bei öffentlichen Aufträgen sichert. Auf LINKE-Initiative hin wurden immerhin 200 neue Steuerfahnder eingestellt und die Abwahl von (Ober-)Bürgermeistern per Bürgerentscheid, genannt »Lex Sauerland«, ermöglicht. In der Innenpolitik führte die LINKE Rot-Grün ein ums andere mal vor. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Doch all das bedeutet keine wirkliche Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse, zumal die ursprünglichen LINKE-Anträge von SPD und Grünen stets verwässert wurden. Und, was noch schwerer wiegt: Der konkrete Einfluss der LINKEN ist schwer mess- und für den Wähler noch schwerer nachvollziehbar.
Die NRW-LINKE macht es ihren Anhängern zudem wirklich nicht leicht, ihre Wirkungstreffer zu erkennen. Was die Kommunikation der LINKEN betrifft, so überstrahlt die Kritik am mangelnden Reformwillen von Rot-Grün gelegentliche »Links wirkt«-Argumente. Wieso sollte der Durchschnittswähler da glauben, dass ein bezahlbares Sozialticket, mehr Kita-Plätze und höhere Löhne »nur mit uns«, will meinen: der Linkspartei, möglich sind?
Vielleicht wäre es klüger gewesen, beizeiten offen zu sagen, dass die LINKE zeitweilig als Tolerierungspartner der Minderheitsregierung fungierte. Und eben nicht als reine Oppositionsfraktion, die gelegentlich kleine Schritte in die richtige Richtung unterstützt.
Nun jedenfalls können sich SPD und Grüne rot-grün-rote und linke Erfolge auf die eigene Fahne heften. Derweil graben die Piraten der Linkspartei Protestwähler ab. Gen Ende des Wahlkampfes versucht die LINKE es mit einer »Schon geschafft«-Kampagne, die bisherige Erfolge und künftige Ziele (»Nach der Wahl geht`s weiter«)auflistet. Sie kommt ein wenig spät.
Gewählt wird aber erst am Sonntag. »Die Zustimmung zu unseren Kernforderungen ist unheimlich hoch«, sagt LINKE-Wahlkampfleiter Hubertus Zdebel. Das gelte insbesondere nach den Wahlen in Frankreich und Griechenland. »Die Menschen beginnen sich jetzt zu fragen, ob drastische Kürzungen tatsächlich der Königsweg aus der Krise sind.«
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