Berlin setzt auf schnelle Abschiebungen
Anwälte kritisieren übereilte Asylverfahren an Flughäfen, doch die Bundesregierung will daran festhalten
Dass die Inbetriebnahme des neuen Berliner Großflughafens sich verzögert, liegt nicht an der Internierungsanlage für Asylbewerber. Die ist für eine Million Euro bereits fertig gestellt worden: 500 Quadratmeter Innen- und 500 Quadratmeter Außenfläche. Letztere soll sogar einen Spielplatz haben, berichtete Beate Selders vom Flüchtlingsrat Brandenburg Dienstagabend bei einer Veranstaltung des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Dem Flughafenschnellverfahren sollen laut »Asylkompromiss«, den 1992 Union, FDP und SPD auskungelten, alle auf dem Luftweg in Deutschland eintreffenden Asylbewerber unterworfen werden, die entweder aus einem als »sicher« eingestuften Herkunftsland stammen oder keine gültigen Papiere besitzen. Ihnen wird in Deutschland die Einreise verweigert, auch wenn sie sich auf internationales Flüchtlingsrecht berufen.
Derzeit werden Flüchtlinge vor allem auf dem Flughafen Frankfurt am Main in einem von einer hohen Mauer mit Stacheldraht umgebenen Gebäude, sowie in Einzelfällen auf vier weiteren Flughäfen interniert und isoliert. Binnen weniger Tage entscheiden dort Beamte des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge über Asylanträge, zumeist, dass sie »offensichtlich unbegründet« seien. Dann bleiben den Flüchtlingen drei Tage, um dagegen einen Rechtsbehelf einzulegen, der binnen sieben Tagen begründet sein muss. Darüber entscheiden ohne mündliche Anhörung oder gar Verhandlung Verwaltungsrichter innerhalb einer Woche. Dagegen ist kein weiterer Rechtsbehelf mehr möglich. Wird der Asylantrag abgelehnt, organisiert die Bundespolizei die Abschiebung ins Heimat- oder Abflugsland, was aber - vor allem bei fehlenden Papieren - Wochen und Monate dauern kann. Der Flüchtling bleibt solange im Flughafenknast.
Rechtsanwalt Marco Bruns der sich in Frankfurt am Main seit Jahren um juristischen Beistand für Asylbewerber bemüht, betonte auf der Veranstaltung, die Bedingungen dieses speziellen Asylverfahrens in einer »haftähnlichen Einrichtung« brächten »unvertretbare, in unserer Rechtsordnung bisher so nicht gekannte Einschränkungen mit sich«: Der Rechtsanwalt kritisierte, dass die Befragung der Asylsuchenden unmittelbar nach ihrer Ankunft »in einer außergewöhnlichen Drucksituation« stattfinde. Extrem kurze Fristen erschwerten zudem die Wahrnehmung des Rechtsschutzes. Außerdem würden auch Minderjährige in Haft genommen. Und besonders Schutzbedürftigen wie Folteropfern werde eine auch europarechtlich gebotene Hilfe vorenthalten.
Das Flughafenverfahren sei »ein Fremdkörper in einer zivilisierten Rechtsordnung«, konstatierte Bruns, in dem ihm und seinen Kollegen oft nur die Rolle eines »Feigenblattanwalts« übrig bleibe. Auch deshalb hat der DAV im März an Gesetzgeber und Bundesregierung appelliert, das Flughafenverfahren »ersatzlos abzuschaffen«.
In Berlin-Tegel wurde es bisher gar nicht und in Berlin-Schönefeld nur äußerst selten praktiziert - mangels Bedarf: Im 1. Quartal 2012 gab es keinen und im 4. Quartal 2011 gerade einen Fall. Dennoch beharrte das Bundesinnenministerium darauf, am neuen Flughafen BER eine »Einrichtung« für 300 Flughafenverfahren pro Jahr zu schaffen. Ein Vorstoß der Brandenburger Regierung, mit der Einführung bis zum Abschluss der Verhandlungen über humanere EU-Asylverfahrensregeln zu warten, wurde vom Hause Bundesinnenministerium damit beschieden, dass »ein auch nur vorübergehender Verzicht« auf das deutsche Schnellverfahren in Brüssel »die deutsche Verhandlungsposition schwächen könnte«.
Die ist bekannt: Möglichst jeden unerwünschten Flüchtling, der in Deutschland um Schutz und Hilfe bittet, an ein vermeintlich »sicheres« Herkunfts- oder Transitland abzuschieben.
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