Schleichender Umzug

Kerry-Werk in Hessen bereitet Entlassungen vor

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Rodgau südwestlich von Frankfurt am Main hat ein Problem: Der Kerry-Konzern plant offenbar eine Teilverlagerung seiner Rodgauer Produktion nach Polen - aus Renditegründen.

Gegen eine drohende Teilbetriebsschließung macht die Belegschaft des Gewürzherstellers Kerry Ingredients GmbH in Rodgau südwestlich von Frankfurt am Main mobil - zusammen mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Wie der Frankfurter NGG-Sekretär Peter-Martin Cox auf nd-Anfrage mitteilte, befürchten 105 Beschäftigte, das ist ein Großteil der Belegschaft, den Verlust ihrer Arbeitsplätze. Hintergrund sind Pläne des irischen Mutterkonzerns Kerry, die Gewürzproduktion samt Logistik von Hessen nach Polen zu verlagern. Dem Vernehmen nach sollen nur die Bereiche Produktentwicklung und Qualitätssicherung in Rodgau bleiben.

Maschinen abtransportiert

Auch wenn sich die Konzernzentrale im irischen Tralee bisher in Schweigen hüllt, liegt den offenkundigen Konzernplänen nach Auffassung von Betriebsrat und Belegschaft die Erwartung zu Grunde, mit niedrigeren polnischen Löhnen höhere Renditen zu erzielen. Denn der Rodgauer Betrieb sei nicht defizitär und habe nach wie vor volle Auftragsbücher, sind sich die Beschäftigten einig.

Zwar ist eine offizielle Entscheidung noch nicht gefällt, doch häufen sich im Betrieb Anzeichen für einen »Umzug« der Produktionsanlagen. So etwa die Umstellung in der Produktion vom Drei-Schicht-Betrieb auf einen Zwei-Schicht-Betrieb. Damit entfallen Schichtzuschläge für Nachtarbeit. Auch der bereits erfolgte Abtransport einzelner Maschinen schürt Ängste vor einer schleichenden Produktionsverlagerung. »Das ist Raubtierkapitalismus«, bringt es ein Arbeiter auf den Punkt. Bei einem Wegfall der 105 Arbeitsplätze dürften es vor allem Ungelernte und Arbeiter mit Migrationshintergrund schwer haben, in der Region wieder einen gleichwertigen Arbeitsplatz zu finden. Der Betriebsrat bezieht die Belegschaft in seine Aktivitäten zur Standortverteidigung und Arbeitsplatzsicherung ein und bemüht sich um weitere Verbesserungen im Arbeitsablauf. Die NGG hat die Geschäftsleitung zu Verhandlungen über einen Zukunftssicherungstarifvertrag aufgefordert. Der Betrieb war bisher nicht tarifgebunden.

Weil sie sich ihrem Schicksal nicht fügen wollen, machen die Arbeiter jetzt mobil. So zogen sie bei der DGB-Maiveranstaltung durch Offenbach und warben um Solidarität. Wenige Tage später gingen die Beschäftigten in der Frühstückspause mit Schildern und der Parole »Kerry muss in Rodgau bleiben« vor das Betriebsgelände. Anfang dieser Woche besuchten der DGB-Bezirksvorsitzende für Hessen und Thüringen, Stefan Körzell, und der SPD-Landes- und Fraktionschef Thorsten Schäfer-Gümbel sowie örtliche Kommunalpolitiker eine Betriebsversammlung unter freiem Himmel.

Solidarität der Stadt

Die Rodgauer Stadtverordnetenversammlung hat sich der Forderung nach Erhalt der Produktion vor Ort angeschlossen. »Notfalls fahren wir nach Irland und protestieren vor der Konzernzentrale in Tralee«, so der NGG-Bundesstreikbeauftragte Jürgen Hinzer.

Der Kerry-Konzern hat sich binnen weniger Jahrzehnte durch Aufkäufe zu einem führenden »Global Player« im Bereich Nahrungsmittel und Lebensmittelzusatzstoffe entwickelt. Das Rodgauer Werk beliefert vor allem industrielle Großabnehmer und führende Fastfood-Ketten mit Gewürzen und Panaden.

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