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Kafkaeskes Halberstadt
Ausstellung spürt Eindrücken des Franz K. nach
Der bis heute bekannteste Mitarbeiter der Prager Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt dürfte Franz Kafka sein. Wer den Autoren als introvertierten Grübler vor dem geistigen Auge hat, den belehrt die Ausstellung »wege des franz k.« des Prager Fotografen Jan Jindra eines besseren. »Kafka galt als ein begeisterter Reisender, der unterwegs auf der Suche nach seinem wahren Ich war«, erzählt Jutta Dick, die Direktorin der Moses Mendelssohn Akademie in Halberstadt. Hier wird ab 12. Juli die Fotoausstellung zu sehen sein, für die Jindra anhand der Reisetagebücher Franz Kafkas auf dessen Spuren reiste und aktuelle Ansichten der Orte festhielt, die der Dichter besuchte.
Im Sommer 1912 verbrachte der Prager Schriftsteller einen Kuraufenthalt in »Rudolf Justs Kuranstalt« in Jungborn bei Stapelburg (Harz), um dort eine Schreibkrise zu überwinden. Die Reise in den Harz führte Kafka im Juli jenes Jahres nach Halberstadt. Darüber berichtet er in seinen Reisetagebüchern und auf Postkarten an Freunde. So ist bekannt, dass er im Bahnhofshotel übernachtete und Halberstadt mit einem Spaziergang erkundete. Mit dem Kafka-Blick auf die Domstadt, wie ihn seine Texte vermitteln, findet am 12. Juli ein literarischer Spaziergang vom Halberstädter Hauptbahnhof bis zur Klaussynagoge statt, den Ensemblemitglieder des Nordharzer Städtebundtheaters kafkaesk gestalten.
»Unsere größte Sorge derzeit ist«, sagt Akademiedirektorin Jutta Dick, »dass die Ruine des Hotels nicht vor unserem Literaturspaziergangs zusammenfällt«. Eine Tafel als Erinnerung an den berühmten jüdischen Schlafgast schmückte das Haus jedoch noch nie. Bei Kafka liest man: »Eisenbahnhotel, Zimmer unten an der Straße, mit einem Gärtchen davor. Weg in die Stadt. Eine ganz und gar alte Stadt. Fachwerkbau scheint die für die größere Dauer berechnete Bauart zu sein. Die Balken verbiegen sich überall, die Füllung sinkt ein oder baucht sich aus, das Ganze bleibt und fällt höchstens mit der Zeit ein wenig zusammen und wird dadurch noch fester. So schön habe ich Menschen in den Fenstern noch nicht lehnen sehn.«
An Max Brod schrieb Kafka mit Poststempel »7. VII. 1912« eine Ansichtskarte mit dem Haus, das Johann Wilhelm Ludwig Gleim einst in Halberstadt bewohnte. »Wie gut es diese deutschen Dichter hatten! Sechzehn Fenster auf die Gasse! Und soll das ganze Haus auch voll Kinder gewesen sein, was meinem literaturhistorischen Gefühle nach bei Gleim wahrscheinlich ist.« In seinem Tagebuch liest sich das so: »Jetzt halb sieben in der Nähe des Gleim-Denkmals auf die schon lange gesuchte Bank niedergefallen. Wäre ich ein Kind, so müßte ich mich abtransportieren lassen, so schmerzen mir die Beine.« Nach den Zeilen des Dichters lässt sich auch der Weg für den literarischen Spaziergang rekonstruieren. »Drachenweg. Katzenplan. Im Park mit kleinen Mädchen auf einer Bank. Polnische Juden.«
»Vorlagengerecht« werde der Literaturspaziergang am Ort der Jüdischen Gastwirtschaft mit hebräischer Aufschrift enden, »ein verwahrlostes, schloßartiges Gebäude mit großem Treppenaufbau, das aus engen Gassen frei hervortritt« beschrieb Kafka das Berend-Lehmann-Palais, von dem nach dem Flächenabriss in den 1980er Jahren nur noch das Portal übrig blieb.
Jutta Dick verspricht, dass hier stilgerecht ein Kafka-Mahl angeboten wird. Das könnte die Stimmung durchaus aufhellen, denn Kafka sah Halberstadt etwas grau: »Leute im Schlafrock auf der Türstufe. Alte, sinnlose Inschriften. Die Möglichkeiten durchdacht, auf diesen Gassen, Plätzen, Gartenbänken, Bachufern aus dem Vollen unglücklich zu sein.«
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