Abgang der Agentenführer
Nach NSU-Aktenskandal muss auch Thüringens Verfassungsschutzchef gehen
Eilmeldung am gestrigen Abend: Thüringens Innenminister Jörg Geibert (CDU) teilte mit, dass der Chef des Landesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Sippel, wegen der Pannen bei der Verfolgung der Terrorzelle des »Nationalsozialistischen Untergrundes« (NSU) sein Amt aufgeben muss. Zu Wochenbeginn hatte der Präsident des Verfassungsschutzes, Heinz Fromm, seine Versetzung in den vorgezogenen Ruhestand erbeten. Während er sich auf die Zeugenaussage am Donnerstag vor dem Berliner Untersuchungsausschuss vorbereitet, verstärkt sich die Diskussion über seine Behörde. Auch der Bundesinnenminister meldete sich mit ungewohnten Worten. Der Verfassungsschutz sei »nicht für sich da, sondern für die Information der Bevölkerung«, ließ sich Hans-Peter Friedrich (CSU) gestern zu früher Stunde im »Deutschlandfunk« vernehmen. Dann wurde Friedrich für seine Verhältnisse gar wunderlich. Er versprach, den Abgeordneten des Untersuchungsausschusses man werde »die Klarnamen all derjenigen, die dort angeworben wurden beziehungsweise wo Anwerbeversuche gemacht wurden, bereitstellen«.
Und tatsächlich: Die Obleute des Ausschusses können heute die ungeschwärzten Akten zu diesem Komplex in der Außenstelle des BfV einsehen. Diese Offenheit ist neu. Bislang bestimmten die Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern weitgehend darüber, wann die Abgeordneten was zum »Nationalsozialistischen Untergrund« und dem »Versagen« des Staates lesen durften. Es ist nicht bekannt, dass die Bundesregierung gegen diese Taktik interveniert hätte. Der Ausschuss-Vorsitzende Sebastian Edathy (SPD) beklagte bei der gestrigen 22. Sitzung, dass die Abgeordneten weiter behindert werden. Sogar die FDP erwägt rechtliche Schritte gegen die Behörden. Noch immer fehlen wesentliche Dokumente. So weigert sich der MAD weiter, Akten zu liefern.
Der Untersuchungsausschuss hat sich gestern mit den beiden NSU-Sprengstoff-Anschlägen in Köln und dem Mord an einem Kioskbesitzer in Dortmund befasst. Es ging zwar nicht in die Tiefe, doch zeitweise hoch her. Petra Pau, Obfrau der LINKEN, musste sogar mit der Anrufung eines Gerichts drohen. Als Zeugen geladen waren drei Polizisten und ein Staatsanwalt aus Nordrhein-Westfalen. Bei den Anschlägen 2001 und 2004 wurden fast 30 Personen zum Teil schwer verletzt.
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