Synthetische Hormone und Nikotin
Gespräch mit dem Antidoping-Experten Fritz Sörgel über neue Methoden und begrenzten Erkenntnisgewinn
nd: Olympia ist Zeit der Rekorde und angesichts vieler Dopingnachrichten auch Zeit der Zweifel. Sind Höchstleistungen ohne »Hilfsmittel« erreichbar?
Sörgel: Ich denke, dass die Diskussion, die man beispielsweise bei der Tour de France hat, dass die Sportler im oberen Bereich allesamt gedopt sind, nicht ohne weiteres auf andere Sportarten übertragen werden kann. Es gibt da keine empirischen Untersuchungen. Es gilt aber der Verdacht, dass in vielen Sportarten gedopt wird.
Wie sieht es in Olympischen Kernsportarten wie Schwimmen und Leichtathletik aus?
Ausdauersportarten und Schnellkraftsportarten sind bekanntermaßen sehr dopinganfällig. Eine neue Tendenz ist aber, dass nicht nur Muskelbildung und Energiekreislauf Ziel von Doping sind, sondern auch die Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten. Einer aktuellen Studie zufolge hat EPO auch solche Auswirkungen. Und in eher exotischen Sportarten hat man in Nachtests Spuren von Nikotin - aus Kautabak und elektronischer Zigarette - gefunden. Nikotin verbessert die Reaktionsfähigkeit. Das ist in vielen Sportarten hilfreich.
Lässt sich beziffern, wie hoch die Neigung zum Doping ist?
Das ist wie gesagt spekulativ. Es gibt eigentlich nur eine solide Studie. Die wurde schon 1982 durchgeführt. Als Spitzensportler gefragt wurden, ob sie dopen würden, um Olympiasieger zu werden, selbst wenn sie wüssten, dass sie in fünf Jahren sterben würden, antworteten 50 Prozent mit Ja! Die Untersuchungen wurden im Zweijahresabstand bis in die 90er Jahre fortgeführt.
Welche Mittel dürften eher im Umlauf sein?
Alles, was körpereigen ist, wie Insulin oder das Wachstumshormon. Letzteres ist schwer nachzuweisen, und selbst bei einem positiven Testergebnis wie etwa im Fall Sinkewitz ist es nicht leicht, den Sportler zu sanktionieren.
Nach wie vor auch EPO, vor allem in Form einer geschickten Dosierung verschiedener EPO-Präparate. Zunehmend ähneln sich zudem Doping- und Drogenmarkt. Im Drogenmarkt werden Designerdrogen immer wichtiger. Man geht davon aus, dass heute jeden Tag eine neue Designerdroge auf den Markt kommt. Im Dopingmarkt ist das nicht so umfangreich, aber um sechs, sieben Substanzen könnte es sich handeln. Denkt man an THG (Tetrahydrogestrinon, ein synthetisches Hormon - d. Red.), das nur entdeckt wurde, weil ein Masseur eine Ampulle zu einem Antidopinglabor brachte, dann wird die Brisanz deutlich.
Ist Gendoping schon aktuell?
Leider wird landläufig alles als Gendoping bezeichnet, was die Gene reguliert. Aber auch Medikamente nehmen irgendwie Einfluss. Gendoping ist für mich nur, wenn frisches genetisches Material in die Zellen gebracht wird. Und das ist in der Medizin auf breiter Basis bisher nicht gelungen. Daher kann es auch bei Sportlern nicht erfolgreich sein. Und man muss sagen, dass in der Gentherapie Top-Leute forschen. Die wollen den Nobelpreis und nicht zwei, drei Olympiasieger produzieren.
Wäre es nicht sinnvoll, wenn die Erkenntnisse von dopenden Sportlern über Wirkungsweisen bestimmter Medikamente der Forschung zugänglich wären und man Doping komplett freigäbe?
Ich glaube, der Erkenntnisgewinn der Medizin aus eigenen Forschungsansätzen ist größer. Zudem lassen sich dort Erkenntnisse besser absichern als in den vergleichsweise geringen Fallzahlen von Dopingversuchen. Was aber nicht heißt, dass wir nicht schon viele Hinweise aus dem Dopingbereich in die Medizinforschung haben einfließen lassen. Mit der Freigabe von Doping würden wir die Suche nach neuen und möglicherweise gefährlichen Sachen gar nicht einschränken. Mein Hauptargument gegen eine Freigabe ist aber, dass damit ganz schlechte Impulse für den Kinder-, Jugend- und Breitensport gegeben würden.
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