Machen Medaillenhoffnungen blind?
Die Ruderin und die rechte Szene: Landessportbund von Mecklenburg-Vorpommern räumt »Kommunikationsprobleme« ein
Dagmar Freitag ist Chefin des Sportausschusses. Auch ihre Unterschrift steht unter einem Antrag der SPD-Fraktion wider Rechtsextremismus im Sport, der im März ins Parlament eingebracht wurde. In jüngerer Vergangenheit, so heißt es da, habe »das politische Spektrum der extremen Rechten« den Sport als Mittel entdeckt, »um Rassismus, Nationalismus, Antisemitismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in die Gesellschaft hineinzutragen«. Dabei treten sie »zum Teil als aktive Sportlerinnen und Sportler in Erscheinung, streben im organisierten Sport Positionen als Trainer, Vorstandsmitglieder oder Sponsoren an ...«
Was hat das mit Nadja Drygalla, der jungen Frau aus dem Ruderachter, zu tun, die am Freitag »auf eigenen Wunsch« aus London abgereist ist? Sie ist doch nur verliebt. Was kann sie dafür, dass ihr Partner Michael Fischer exponiertes Neonazi-Kameradschaftsmitglied in Rostock und Umgebung ist, dass er für das rassistische Internetportal »Mup.info« dagegen anschreibt, »wenn die Heimat ausverkauft wird«, oder dass er dabei ist, wenn das Gedenken an ein NSU-Opfer gestört wird. Die Behörden führen Fischer in einer »PMK rechts«-Datei. PMK steht für politisch motivierte Kriminalität.
»Man muss sehr klar unterscheiden zwischen ihrer eigenen politischen Ansicht und Orientierung und der ihres privaten Umfeldes«, sagt der Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Thomas Bach. Stimmt. Hans Sennewald, Präsident des Ruderverbandes Mecklenburg-Vorpommerns, dessen Tochter mit Drygalla ruderte, fügt an, er könne nicht beeinflussen, »an wen ein junges Mädchen ihr Herz verschenkt«. Auch wahr. Doch, so sagt das zuständige Schweriner Innenministerium: Es sei nun einmal bekannt, dass »auch Personen zum Bekanntenkreis von Nadja Drygalla gehören, die der offen agierenden rechtsextremistischen Szene zugehörig sind«. Deutet man so zart an, dass es wohl Belege gibt, die nahelegen, Drygalla selbst hege Sympathien für die Rechtsaußenszene? Am 15. August 2009 gab es eine unerlaubte Kundgebung »gegen Kinderschänder« in Malchow. Auf der Website von Fischers Kameradschaft »NSRostock« ist ein Foto zu sehen. Die Gesichter sind gepixelt, doch Insider meinen, die Dritte rechts neben dem Transparent sei Fischers Freundin. Ist das so, dann müssen die Polizisten bei der Feststellung der Personalien gestaunt haben. Sie trafen auf eine Kollegin. Denn erst nach »intensiven Gesprächen« schied Drygalla Ende September 2011 von der Polizei und damit von der Landessportfördergruppe.
Niemand im Sportbereich erfuhr davon? Innenminister Lorenz Caffier (CDU) wundert sich: In die Gespräche mit Drygalla waren der Landessportbund und ihr Verein einbezogen«. Der Landessportbund hat jetzt »Kommunikationsprobleme« eingeräumt. Man habe seit mehr als einem Jahr gewusst, »dass es Probleme gibt mit ihrem Freund«, sagte der Vorsitzende Wolfgang Remer. Auf die Idee, den DOSB zu informieren, »sind wir gar nicht gekommen«.
Bereits als Fischer selbst noch eine Ruderhoffnung war, hatte man »Kommunikationsprobleme«. 2006 gewann er - damals auch in der Hooligan-Szene von Hansa Rostock unterwegs - in Amsterdam Silber im Achter. Dass Fischer Neonazi war, wussten Sportkameraden wie Funktionäre. Im Landtagswahlkampf 2011 kandidierte Fischer für die NPD ganz bewusst mit dem Titel »Juniorenweltmeister«. Kommunikationsprobleme - fällt darunter auch ein Antrag des Ruderverbandes, Drygalla ab 1. September in der Sportfördergruppe der Bundeswehr unterzubringen? Der liege jetzt »auf Eis«, teilte Mario Woldt, Sportdirektor des Ruderverbandes mit.
Unmittelbar nach den Meldungen über Drygallas Beziehungen in die Nazi-Szene ist ihr Athletenprofil von der DOSB-Internetseite gelöscht worden. So einfach wird man das generelle Problem »Rechtsextremismus und Sport« nicht loswerden können.
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