Der Mann der Stunde

In der Wendezeit spielte der kürzlich verstorbene Politiker Günther Maleuda eine wichtige Rolle

Heute wird in Berlin des Politikers Günther Maleuda gedacht. Als Volkskammerpräsident trug er 1989/90 zur Demokratisierung der DDR bei.

Es gibt Situationen, in denen die Uhren auf Null gestellt werden. In denen alles Bisherige kaum noch zählt. Als am 13. November 1989 ein neuer Volkskammerpräsident gewählt wurde, war für Günther Maleuda ein solcher Moment. In der DDR ging es drüber und drunter, der langjährige Parlamentschef Horst Sindermann war zurückgetreten. Maleuda hatte bis dahin eine respektable Funktionärslaufbahn absolviert, die ihn 1987 an die Spitze der SED-treuen Bauernpartei geführt hatte.

Doch nun änderte sich in kürzester Zeit alles. Das Volk protestierte, die führende Partei wankte und stellte erst gar keinen Kandidaten mehr auf für die Parlamentsspitze. Plötzlich traten - ein Novum - fünf konkurrierende Kandidaten an; als Favorit galt der ehrgeizige Liberalen-Vorsitzende Manfred Gerlach, dem die Unterstützung der SED sicher zu sein schien. Doch viele SED-Abgeordneten pfiffen auf die Fraktionsdisziplin - nach zwei Wahlgängen war Maleuda Präsident und die Überraschung perfekt.

Dass die Volkskammer eine gute Wahl getroffen hatten, stellte sich alsbald heraus. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung bescheinigte Maleuda umgehend, dass schon die erste von ihm geleitete Sitzung der Volkskammer - bis zum Wendeherbst eher eine Abnickmaschine für die Politik der SED und ihres Parteienblocks - eine Lehrstunde der Demokratie gewesen sei. Maleuda, der im Plattgenbau in Berlin-Marzahn wohnte, bestätigte an der Spitze der Volkskammer seinen Ruf als bodenständiger, besonnener Politiker. Er hatte keinen geringen Anteil daran, dass die Runden Tische eingerichtet wurden - also der Dialog mit der Opposition, Demokratie mit dem Gesicht zum Volk praktiziert wurde, wie es damals gefordert wurde.

Damals glaubte Maleuda wie viele, dass der Sozialismus reformierbar sei, dass die DDR eine Perspektive habe. Er wollte, das sagte er in Interviews immer wieder, einen demokratischen Sozialismus. Das meinte er ernst: Als sich seine Bauernpartei im Sommer 1990 der CDU andiente, um sich bald darauf spurlos in ihr aufzulösen, trat Maleuda aus. Noch einmal - von 1994 bis 1998 - ging er in die Politik und saß als Parteiloser für die PDS im Bundestag. Dort erlebte er, was in der Endphase der Volkskammer schon begonnen hatte: dass es immer weniger um die Sache, statt dessen immer stärker um persönliche Profilierung, um Schaukämpfe ging. Trotz der zunehmenden Ernüchterung über den neuen Politikbetrieb konnte er als Erfolg verbuchen, dass die Ergebnisse der Bodenreform von 1946 im Einigungsvertrag anerkannt wurden.

Günther Maleuda starb nach langer Krankheit am 18. Juli im Alter von 81 Jahren. Heute wird in Berlin mit einer Trauerfeier an ihn erinnert.

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