Erwecker Romney unter Druck
Abtreibungsdebatte überschattet Nominierungsparteitag der US-Republikaner
Gleichsam erwecken will Mitt Romney das amerikanische Volk nach den düsteren Jahren des Barack Obama. Der Multimillionär mormonischen Glaubens präsentiert sich gern aufgeschlossen, modern und tolerant. Doch das am Dienstagabend (Ortszeit) von der Führung seiner Partei abgenickte republikanische Programm für die Präsidentschaftswahl, das am zweiten Tag des Nominierungskonvents nächste Woche in Florida beschlossen werden soll, könnte auch unter der Losung »Zurück in die Zukunft« laufen. Denn die sogenannten »Platforms« sind ultrakonservativ, die Handschrift der fundamentalistischen Tea-Party-Bewegung ist unverkennbar.
So fordern die Republikaner ein grundsätzliches, in der Verfassung verankertes Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe, die sie als »Anschlag auf die Fundamente unserer Gesellschaft« denunzieren. Denn die brauche »psychologisch und emotional gesunde Kinder«, die nur ein Hetero-Verbund garantiere. Selbst nach den jüngsten Amokläufen wird jegliche Waffenkontrolle nachdrücklich abgelehnt. Sogar für halbautomatische Waffen dürfe es keine juristischen Einschränkungen geben, auch nicht beim Verkauf der entsprechenden Munition.
Dagegen fordern die Konservativen massive Verschärfungen der Einwanderungsbestimmungen, die vor allem illegale Immigranten treffen würden. Und der international immer wieder kritisierte Grenzzaun zu Mexiko müsse endlich fertiggestellt werden.
Besondere Aufmerksamkeit findet natürlich die Programmpassage zum Thema Abtreibung, hat doch der republikanische Senatskandidat Todd Akin gerade mit bizarren Äußerungen zur Schwangerschaft nach einer Vergewaltigung nicht nur bei politischen Gegnern Empörung und Kritik ausgelöst. Es sei »wirklich selten«, dass eine Frau nach einer »ernsthaften« Vergewaltigung schwanger werde, schwadronierte der konservative Hardliner, der in Missouri gegen die demokratische Amtsinhaberin Claire McCaskill antritt, am Wochenende in einem Interview des Senders KTVI in St. Louis. Er habe von Ärzten erfahren, dass der Körper der Frau in einem solchen Fall versuchen könne, »die ganze Sache zu beenden«. Abtreibung solle deshalb keine legale Option sein; aber »vielleicht« sollte der Vergewaltiger bestraft werden.
Das war dann auch Mitt Romney zu viel. Er forderte seinen Parteikollegen am Dienstag auf, aus dem Wahlrennen auszusteigen. Doch der weigert sich und findet lediglich, dass er sich missverständlich ausgedrückt habe. Der 65-Jährige, der seit fünf Legislaturperioden im Abgeordnetenhaus sitzt, gilt als Stimme der radikalen Abtreibungsgegner im Lande - und er kann sich auf das Wahlprogramm der Republikaner berufen. Denn das verlangt ein kategorisches Abtreibungsverbot, selbst nach Vergewaltigung oder Inzest.
Während auch Vizepräsidentschaftskandidat Paul Ryan für ein Verbot ohne Ausnahmen ist, will Romney diese zumindest im schlimmsten Fall zulassen. Für ihn kommt die heftige Debatte zur Unzeit. Sie überschattet nicht nur die kommenden Montag beginnende Nominierungsshow auf dem Konvent in Tampa.
Gerade hat sich der designierte Kandidat der Republikaner in landesweiten Umfragen wieder an Barack Obama herangeschoben. Glaubt man einer aktuellen Erhebung der Nachrichtenagentur AP und des Marktforschungsinstituts GfK, ist das Rennen nicht einmal drei Monate vor der Wahl wieder weitgehend offen: 47 Prozent der Befragten sprechen sich danach für den Amtsinhaber aus, 46 Prozent für den Herausforderer.
Schon vor Akins Skandalinterview zum Reizthema Abtreibung zeigten allerdings alle demoskopischen Analysen, dass Frauen eher zu einer Stimmabgabe zugunsten Obamas neigen. Dieser Trend könnte sich nun noch wahlentscheidend verstärken. Eine große Programmdebatte erwartet David Lightman, der seit 30 Jahren von den US-amerikanischen Parteitagen berichtet, in Florida trotzdem nicht. Dort soll Romney die 2286 Delegierten aus allen 50 Bundesstaaten, der Hauptstadt Washington und den fünf Überseegebieten wie Millionen Fernsehzuschauer in einer glamourösen Inszenierung vor allem begeistern. Aber auch das wird für den eher hölzern wirkenden Ex-Gouverneur von Massachusetts nicht einfach.
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