Kurs der Piraten ungeklärt
Niedersächsische Partei kürte Spitzenkandidaten zur Landtagswahl im nächsten Jahr
Bis zuletzt stand die Aufstellungsversammlung der Piraten in Delmenhorst auf der Kippe. Sie konnte schließlich nur stattfinden, weil das Landesschiedsgericht kurz zuvor einen Antrag abgelehnt hatte, die Wahlunterlagen der vorangegangenen Versammlung in Wolfenbüttel erneut auszuzählen.
Mit nur vier Stimmen Mehrheit setzte sich der Werbegrafiker Meinhart Ramaswamy (59) gegen die Datenschützerin Katharina Nocun (25) durch. Nocun folgt nun auf Platz zwei der Landesliste, die insgesamt 30 Kandidaten umfasst. Für das Programm zur Landtagswahl, das bei nd-Redaktionsschluss noch nicht abgestimmt war, gab es 246 Anträge. Hier dominierten die Themen Bildung, Verbraucher- und Datenschutz und direkte Demokratie. Viele Forderungen, etwa die nach kostenlosen Lernmitteln, der Senkung der Hürden für Volksabstimmungen oder nach einem Mindestlohn verleihen dem Programm ein linkes Profil. Und ihr Spitzenmann Ramaswamy ist ein ausgesprochener Gegner neoliberaler Public-Private-Partnership-Projekte.
Doch so wie Bundesparteichef Parteichef Bernd Schlömer will sich Ramaswamy nicht als Linker bezeichnen lassen. Auch nicht als Liberaler. Das ist auch nicht zwingend, denn seine Mitgliedschaften bei der Linkspartei und bei der FDP liegen schon etwas zurück. Das Urteil potenzieller Anhänger wird so freilich nicht erleichtert. Auch in der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung soll Ramaswamy schon gearbeitet haben, wie der »Spiegel« berichtete.
»Unser Ziel ist ein Regierungswechsel in Niedersachsen«, sagte Ramaswamy am Wochenende. Und dafür stehen die Chancen gar nicht schlecht, denn die schwarz-gelbe Koalition des Ministerpräsidenten David McAllister (CDU) hat kaum Überlebensaussichten, da die FDP wenige Monate vor der Wahl unter der Fünf-Prozent-Hürde dümpelt.
Außerdem sinken die Zufriedenheitswerte für die Landesregierung, Wechselstimmung breitet sich aus. Eine Koalition mit SPD und Grünen ist dennoch eher unwahrscheinlich, denn die Piraten, so Ramaswamy, streben nach den Wahlen die Rolle einer »kons-truktiven Opposition« im Landtag an. Parteiintern ist außerdem umstritten, ob eine einheitlich handelnde Piraten-Fraktion überhaupt wünschenswert ist, da der Fraktionszwang in Teilen der Partei abgelehnt wird.
Der Piratenparteitag in Delmenhorst hat somit auch einige der Sollbruchstellen deutlich gemacht, die auch für die Gesamtpartei bestehen. Das betrifft den Kurs der Partei. Ob sie nun nach links segelt, in liberalen Gewässern kreuzt oder, wie Parteichef Schlömer jüngst vorschlug, ihre Anker in einer Koalition mit der Union wirft, bleibt ungeklärt. Und die Abgrenzung zur LINKEN, die angesichts der vorhandenen politischen und programmatischen Schnittmengen eher künstlich wirkt, hat ihre Ursache in eben dieser Indifferenz, die allerdings nicht nur die LINKE betrifft, sondern letztlich alle Parteien, zu denen die Piraten ihr Verhältnis nicht klären wollen. Sie möchten dies aus guten Gründen nicht. Denn es ist diese Indifferenz, die die Partei bisher zusammenhält.
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