Merkel im Reich der Mittel
Deutsch-chinesische Regierungskonsultationen im Zeichen der Euro-Krise
Frau Merkel lasse sich in Peking Honig ums Maul schmieren, klagte Viola von Cramon, Bundestagsabgeordnete der Grünen, und forderte, die Bundesregierung dürfe sich bei ihren Konsultationen nicht länger von China um den Finger wickeln lassen. Wenigstens dessen darf Frau von Cramon sicher sein: Man stelle sich nur Umweltminister Peter Altmaier, einen von sieben ministeriellen Begleitern der Kanzlerin, am Finger eines schmalen Chinesen vor!
Aber es gibt durchaus auch ernst gemeinte Aufträge für die Kanzlerin und ihr Gefolge: Altmaier etwa soll den ruinösen Preiskampf der chinesischen Solarbranche »offen ansprechen«, deutsche Unternehmen erwarten besseren Patentschutz in China, deutsche China-Korrespondenten weniger Behinderung bei »heiklen Themen«. Die Lage in Tibet soll die Kanzlerin zur Sprache bringen, für Konzeptkünstler Ai Weiwei und den gefangenen Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo soll sie ein Wort einlegen, für die Menschenrechte im Allgemeinen und die Meinungsfreiheit im Besonderen soll sie sich einsetzen ...
Redlich wird sich Merkel mühen, alle diese Aufträge zu erfüllen. Doch wird sie sich hüten, ihre Partner vor den Kopf zu stoßen. Aus gutem Grund: Just am Mittwoch teilte das Statistische Bundesamt mit, wie kräftig die steigende Nachfrage aus »Schwellenländern«, allen voran China, den deutschen Außenhandel beflügelt. Während die deutschen Exporte insgesamt seit 1996 jährlich um 6,7 Prozent zunahmen, wuchsen die Ausfuhren ins Reich der Mitte um durchschnittlich 17,8 Prozent im Jahr. Leicht vorstellbar, was das für den »Arbeitsmarkt« hierzulande bedeutet. Zumal in der momentanen Euro-Krise sähe man gerne, dass China einen Teil seiner sagenhaften 3,2 Billionen Dollar Devisenreserven in der Euro-Zone anlegte, sei es durch direkten Kauf von Staatsanleihen, sei es durch Investitionen in die Wirtschaft. Aber auch neue Aufträge erwartet man: Airbus beispielsweise hofft auf die Bestellung von rund 100 Flugzeugen. Nicht zufällig besucht die Kanzlerin am Freitag das Airbus-Werk in Tianjin, der Heimatstadt ihres Kollegen Wen Jiaobao. Der wird demnächst sein Amt in jüngere Hände übergeben, die Bundeskanzlerin aber gewiss darauf hinweisen, dass auch sein Nachfolger das Wohlergehen einer 1,4-Milliarden-Bevölkerung über die Forderungen Einzelner oder kleinerer Gruppen stellen wird. Immerhin hat kein anderes als das vermeintliche »Auslaufmodell« Chinas so viele Menschen in so kurzer Zeit aus der Armut zu relativem Wohlstand geführt - seine einheimischen Kritiker eingeschlossen.
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