Beschneidung bleibt straffrei

Berlin will Ärzte bei fachgerechten Eingriffen nicht kriminalisieren

  • Sarah Liebigt
  • Lesedauer: 3 Min.

Ärzte in Berlin brauchen bei Beschneidungen von jüdischen oder muslimischen Jungen keine Strafverfolgung mehr zu fürchten. Die Staatsanwälte der Stadt seien angehalten worden, bei fachkundig vorgenommenen Eingriffen keine Ermittlungsverfahren einzuleiten, kündigte Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) am Mittwoch in Berlin an. Damit solle den Medizinern nach dem umstrittenen Kölner Urteil und bis zur Verabschiedung einer bundesweiten gesetzlichen Freigabe Rechtssicherheit garantiert werden. »Für diese Zwischenzeit darf es keine Kriminalisierung geben.«

Unter bestimmten Voraussetzung würde eine Beschneidung demnach nicht strafrechtlich verfolgt werden, auch wenn sie zur Anzeige käme. Wenn beide Elternteile beziehungsweise die Sorgeberechtigten schriftlich einwilligen, nachdem sie ausführlich über die gesundheitlichen Risiken des Eingriffs aufgeklärt wurden. Zweiten müssen die Eltern die religiöse Motivation und die religiöse Notwendigkeit der Beschneidung vor Religionsmündigkeit des Kindes nachweisen (etwa zusammen mit der Einwilligungserklärung oder durch eine Bestätigung der jeweiligen Religionsgemeinschaft). »Die subjektive Notwendigkeit« der Beschneidung müsse zuvor dokumentiert werden, so Heilmann. Dass der Eingriff außerdem nach »medizinisch fachgerechtem Standard vorgenommen« wird, ist die letzte Bedingung. Dazu gehören insbesondere die Sterilität der Umgebung sowie der medizinischen Hilfsmittel, »eine größtmögliche Schmerzfreiheit und eine blutstillende Versorgung«. Nach jetzigem Stand kann den Eingriff nur ein approbierter Arzt oder eine approbierte Ärztin durchführen. Das Berliner Jüdische Krankenhaus kündigte in einer ersten Reaktion an, künftig wieder Beschneidungen vorzunehmen. Bis zum Kölner Urteil seien es jährlich bis zu 120 Eingriffe gewesen. 80 Prozent davon entfielen auf muslimische Jungen. »Die meisten Beschneidungen erfolgen allerdings bei niedergelassenen Ärzten«, erklärte Kristof Graf, der Ärztliche Direktor des Krankenhauses.

Senator Heilmann hat das Jüdische Krankenhaus am Dienstag in einem Brief über die Berliner Rechtspraxis informiert. Gleiches gelte für die Ärzte, die sich mit Fragen zum Thema Beschneidung an den Justizsenat gewandt hatten.

Das Landgericht Köln hatte Ende Juni die religiöse Beschneidung als Körperverletzung eingestuft. Bundesweit einheitliche Regelungen gibt es derzeit nicht. Ein Sprecher des bayerischen Justizministeriums sagte am Mittwoch, man halte eine landesweite Richtlinie für unnötig. »Der Bund ist jetzt am Zug, Rechtssicherheit zu schaffen.« Die Verhandlungen auf Bundesebene seien schon weit gediehen und auf einem guten Weg. Eine Abstimmung mit den anderen Bundesländern hätte Monate gedauert, so Heilmann auf die Frage, weshalb Berlin hier den Alleingang gewählt hatte. Nötig sei aber jetzt ein »klares Signal« gewesen, »dass wir jüdisches und muslimisches Leben in der Stadt wollen«. Das beinhalte auch die freie Religionsausübung.

»Statt einer überstürzten verwaltungsrechtlichen oder gesetzlichen Lösung wäre nun allerdings ein breiter gesellschaftlicher Dialog wichtig«, kritisierte Norbert Kunz, Präsident des Humanistischen Verbandes Berlin-Brandenburg.

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