FAZ fordert: Bush & Co. vor Gericht!
»Schlechtes Gewissen«:
Am vergangenen Wochenende schrieb Nils Minkmar in der FAZ: »Aus Interviews mit damals entscheidenden Personen wissen wir, dass der Entschluss zum Angriff auf den Irak der Suche nach Gründen vorausging … Ohne diese Lügen keine Folter in Abu Ghraib und Guantánamo, keine Videos und Dokumente von Kriegsverbrechen, kein Verrat von Geheimnissen, kein Wikileaks, kein Assange. Das Drama um Assange ist das Symptom unseres schlechten Gewissens. Assange verweist auf Bradley Manning, der auf Rumsfeld, Bush, Cheney und Blair verweist. Sie müssen vor ein ordentliches Gericht, alle.«
Es ist ein sehr persönlicher Essay des FAZ-Feuilletonchefs über den Fall Assange, »man entkommt ihm nicht« - verweist dieser Fall etwa, so fragt der Autor, »auf die größere, verdrängte Schuld derer, die den Irakkrieg begonnen haben?« Der Text antwortet: Ja. Und also: »Sie müssen vor ein ordentliches Gericht, alle.«
Angesichts dieser Unzweifelhaftigkeit taucht im Gedächtnis auf, dass die Sonntagsausgabe dieser Frankfurter Zeitung vor zehn Jahren über Schröders irakskeptische deutsche Außenpolitik schrieb: Wer sich den US-Amerikanern im Irak verweigere, habe nicht verstanden, »dass nur derjenige etwas vom Bären erhält, der an der Jagd teilnimmt«. Im Mahnton des Pragmatismus eine entschlossene Feier von Blutspuren. Klare Leugnung der Gründe, die gegen diesen Krieg sprachen - der das elfte Gebot des Westens bekräftigte: Töte nur, wenn es ein christlicher Krieg ist.
Aber es gab doch jene, die laut von Lüge sprachen! Vom ersten Tag an. Wie zeichnete man sie, diese Warner? Verstockte Linke, weltfremder Pazifistelstimmen-Chor, Antiamerikaner, Undankbare wider das westliche Bündnis. Gegeißelt und bespöttelt, niedergeschrieben und niedergeschrien. Minkmars brillant-bewegender, zorniger, nahezu bebender Aufsatz jetzt in der FAZ lässt fragen, wann je ein bundesdeutscher Kommentator sich öffentlich, schambewusst revidierte, im Zuge allgemeiner Wahrheitskorrektur. Eher Stille - bei den Gralshütern der Ungebundenheit, Unparteilichkeit, Unbestechlichkeit, die so gerne groß ihre selbstbewusst anklagenden Rechnungen gegen den Rest der politischen Strukturen auf dieser Welt aufmachen. Immer besitzt die Meinungsmacht die Wahrheit, gefunden wird sie von Einzelnen. Immer ist die Wahrheit eine Frühgeburt - wer ihr ins Leben hilft, erfährt die Unsterblichkeit der Spießruten.
Die Gerichtsbarkeiten für Bush und Co. und kommende Kopien bleiben für absehbare Zeiten aus; die Verüber politischer Verbrechen leben geschickt von den ideologisch geschürten Verzögerungen, unter denen ihre Taten ans Licht kommen. Aber vielleicht könnte das sogenannte bürgerliche Lager den Mut aufbringen, auch mal links einen richtigen Gedanken zu vermuten, und das sogenannte linke Lager könnte den Mut aufbringen, sich selbst als bürgerlich zu begreifen - was sonst als der Bürger-Sinn dieser Gesellschaft, also die Demokratie, garantiert auch harschen Kritikern des Systems die Handlungsgrundlagen aller Kritik. So entstünde Entgegenkommen, eine Art Dissidenz der Zukunft: gemeinsamer Wahrheitsvorstoß, der von links-rechts zur Mitte wächst und dort sichtbar und hörbar herausragt.
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