Vorentscheid zum Eilantrag
Karlsruhe will heute sagen, wie es nach Gauweilers neuer ESM-Klage weiter geht
Über die Politik der EZB hat das oberste deutsche Gericht im Grunde keine Macht, wie denn auch Unionsfraktionskollege Norbert Barthle Gauweiler am Montag belehrte. Dumm ist der jedoch nicht und nutzt die Verknüpfung mit dem ESM, die dem Beschluss der Zentralbank zugrunde liegt. So kauft die EZB Staatsanleihen nur dann, wenn das betroffene Land unter einen Rettungsschirm geschlüpft ist. Gauweiler beantragt deshalb, den Euro-Rettungsschirm zu stoppen, bis die EZB dieses Vorhaben aufgegeben habe. Gemäß der Logik: Wo kein Rettungsschirm, auch keine Staatsanleihen. Gegebenenfalls solle das Gericht die Verkündung der Entscheidung zum Rettungsschirm verschieben, fordert der CSU-Politiker.
Gauweiler argumentiert, durch den EZB-Beschluss sei das Gesamtrisiko für den Bundeshaushalt vollends unkalkulierbar und unverantwortbar geworden. Der ESM dürfe Staatsanleihen von Problemstaaten nur kaufen, wenn der Bundestag dem vorher zustimmt und auch nur im Rahmen dessen, was das Stammkapital zulasse. Betätigt sich nun aber die Zentralbank als Käufer, würden die Parlamente nicht gefragt, »obwohl letztlich ebenfalls die nationalen Haushalte mit den Risiken belastet werden«. Die Haftungsbegrenzungen und die Kontrollmechanismen aus den Gesetzen zum Rettungsschirm würden somit ausgehebelt.
Unterstützung erhielt Gauweiler von CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, der nicht nur die Kritik am Kurs der EZB teilte, sondern auch den Eilantrag begrüßte. Dobrindt hatte dem ESM im Bundestag persönlich zugestimmt, verbal stellt sich die CSU damit jedoch in Fragen der Euro-Rettung erneut gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie hatte über ihren Regierungssprecher ausrichten lassen, dass sie keine rechtlichen Zweifel an dem EZB-Beschluss hat: »Die Europäische Zentralbank handelt in Unabhängigkeit sowie im Rahmen ihres Mandats.« Die Bundesregierung geht somit nicht davon aus, dass eine neue Sachlage entstanden ist. Das ist auch die Ansicht der SPD.
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) missfällt zudem, dass die Auseinandersetzung überhaupt juristisch ausgetragen wird. Politiker sollten das Bundesverfassungsgericht nicht für die Durchsetzung ihrer politischen Ansichten missbrauchen, warnte Thierse im »Deutschlandradio Kultur«. »Ein Zeichen von Courage wäre es, in der eigenen Partei, in der eigenen Fraktion, in der eigenen Koalition für Mehrheiten einzutreten.«
In Europafragen sind die Reihen im Bundestag jedoch seit Jahren parteiübergreifend geschlossen. Die Mehrheiten unter den Bundesbürgern wären längst nicht so eindeutig. Die Kläger sehen Karlsruhe deshalb als letzte Rettung. So sehen auch der Verein Mehr Demokratie, dessen ESM-Klage sich 37 000 Bürger angeschlossen haben, und die Linksfraktion den Beschluss der EZB kritisch. »Die aktuellen Entwicklungen bestätigen unsere schlimmsten Befürchtungen«, meint Christoph Degenhart, der die Verfassungsbeschwerde von Mehr Demokratie vertritt. Linksfraktionschef Gregor Gysi unterstützte am Montag explizit Gauweilers Nachschlag. »Wenn er damit Erfolg hat, ist es letztendlich auch ein Erfolg für uns«, sagte Gysi. Die LINKE habe sogar überlegt, einen ähnlichen Antrag zu stellen.
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