Spielbergerinnen

»Frauenfilm« und ein Forschungsprojekt

  • Nino Ketschagmadse
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Suche nach ihnen war nicht einfach. Allein schon weil die Melderegister der Stadtarchive seinerzeit alle unter den Namen der Ehemänner respektive Väter geführt wurden, und viele von ihnen darüber hinaus ihr wirkliches Geburtsdatum verschleierten. Besonders aber während des Dritten Reichs gingen viele Spuren verloren. Und so glichen Gabriele Hanschs und Gerlinde Wazs Studien zum Thema »Filmpionierinnen in Deutschland« eher einer Sisyphusarbeit als einer lockeren Zusammenstellung von Beweisen, dass die Geschichte des Deutschen Films eben nicht nur von Männern geschrieben wurde. Zwei Jahre lang trugen die beiden Filmwissenschaftlerinnen - mit finanzieller Unterstützung des Berliner Senats - Daten der ersten Frauen hinter der Kamera zusammen. 110 Drehbuchautorinnen, Regisseurinnen und Produzentinnen haben sie mittlerweile recherchiert. Ein Dutzend Biografien, aus der Zeit bevor die Kinematografie zur männerdominierten Industrie wurde, sind davon bereits in die vom Deutschen Filminstitut (DIF) initiierten Internet-Datenbank »f-films: female filmworkers in europe«, die sich ansonsten dem Schaffen der Frauen für das »junge europäische Kino« widmet, integriert. Gerade weil »sehr oft über Ecken gesucht werden« musste, ist Claudia Dillmann, Leiterin des DIF, sehr glücklich, dass die Zeugnisse der Arbeit der Pionierinnen der Stummfilmzeit auch relativ reich bebildert daherkommen. Ebenso reich, wie es die Bestände der Filmmuseen und Nachlassverwalter der ersten Produktionsgesellschaften hergaben. Bei Olga Wohlbrück (1867-1933), die mit »Ein Mädchen zu verschenken« (1913) - zu dem sie auch das Drehbuch schrieb - ihre einzige Regiearbeit ablieferte, fehlen zwar diese Portraitaufnahmen, aber immerhin gilt sie als erste Filmemacherin in Deutschland überhaupt. »Viele ihrer Geschlechtsgenossinnen haben damals unter Pseudonym gearbeitet«, so Forscherin Gerlinde Waz. Für Helene Morawsky etwa, die 1918 die »Hella Moja Filmgesellschaft« gründete und ihren ersten Film »Die Augen von Jade« produzierte, weist die Datenbank auch Helka Moroff oder Hella Sewa aus. Zusammengearbeitet hat sie unter anderem mit Regisseurin und Drehbuchautorin Iwa Raffay, deren »Der Hirt von Maria Schnee« (1919) drei Jahre nach Fertigstellung in den USA zum Exportschlager avancierte. Wie diese beiden Frauen, machte auch die in Amerika geborene Fern Andra, die zuerst als Seiltänzerin, dann als Schauspielerin Karriere machte, als Leiterin einer Produktionsgesellschaft von sich reden. 1916 eröffnete sie in Berlin das Fern-Andra-Filmatelier. In mehr als 40 Filmen, die meist von Leidenschaften vor und hinter dem Zirkusvorhang erzählten, war sie als Produzentin, Regisseurin, Drehbuchautorin und Darstellerin in Personalunion tätig. Andra, die seit den 20er Jahren nicht mehr an ihre Anfangserfolge wie »Genuine« anknüpfen konnte, emigrierte in die USA und kam erst in den 50ern nach Deutschland zurück. Bis zu ihrem Tod 1974 suchte sie vergeblich nach ihren Filmen. Vielleicht, so die vage Hoffnung der Studienautorinnen, könne nun indirekt ihr Kinopionierinnen-Projekt die immer noch als verschollen geltenden Filmrollen zutage fördern, durch den einen oder anderen Internetnutzer. Mit am schwersten sei bisher die Arbeit über das Schaffen von Elsa Bassermann gewesen, da diese - obwohl als Schauspielerin bekannt - schon lange vor der Machtübernahme der Nazis ihre Drehbücher unter Hans Hennings veröffentlichte. Nur bei dem besonders erfolgreichen Film »Du sollst keine anderen Götter haben« (1917) taucht Bassermann in der Presse unter ihrem Geburtsnamen Elsa Schiff als Autorin auf. Später durfte sie wie zahllose andere Jüdinnen nicht mehr auftreten. Sie zog sich mit ihrem Mann in die Schweiz zurück. Aber auch Autorinnen, Regisseurinnen und Produzentinnen, die im Dritten Reich in Deutschland blieben, hatten allesamt große Karriereeinbrüche hinzunehmen. »Der Erfolg von Leni Riefenstahl darf nicht hinwegtäuschen«, so die Filmwissenschaftlerinnen, »dass die Hochachtung und Unterstützung, die sie erfuhr, für Frauen in dieser Zeit singulär war. Selbst so bekannte Drehbuchautorinnen wie Marie Luise Droop, die u. a. für zahlreiche Flottenfilme Drehbücher verfasst hatte, für den Völkischen Beobachter schrieb und der NSDAP angehörte, beschwerte sich, dass sie nun als Frau aus allem ausgeschlossen sei.«
Erste Ergebnisse des Datenbankprojekts im Internet: www.deutsches- filminstitut.de/f-films

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