Geld-Gulasch

Neue Opernbühne inszeniert Madernas »Satyricon«

  • Martin Hatzius
  • Lesedauer: 2 Min.
Was macht man, wenn man im Überfluss schwimmt? Der neureiche und ungebildete Ex-Sklave Trimalchio, Romanfigur des antiken römischen Dichters Petronius Arbiter, verprasst sein mit Betrügereien, Wein- und Sklavenhandel »verdientes« Geld auf üppigen, hemmungslosen Gastmahlen. Bruno Maderna (1920-1973), einer der wichtigsten italienischen Komponisten Neuer Musik, hat Petronius' fragmentarisch überlieferten Roman zur Grundlage für seine Opern-Collage »Satyricon« genommen und Teile des Texts zu einem fünfsprachigen Libretto verdichtet. Als Berliner Erstaufführung zeigt die Neue Opernbühne Berlin jetzt ihre Interpretation des Werks in der Inszenierung von Alexander Paeffgen. Madernas Vorlage, ein Potpourri aus Eigenkompositionen, bekannten Opern-»Hits« und Tonbandaufnahmen von Tier-, Menschen-, Maschinenlauten, bietet viel Spielraum für ihre Bearbeiter. Paeffgen nutzt diese Freiheit, um in einem schrillen Spektakel den gefräßigen Strudel der Dekadenz zupacken und auch unsere Zeit hinwegreißen zu lassen. Während Trimalchios Kulturverständnis sich in (hähnchen-)fleischlichen Gelüsten erschöpft, flimmern in Videosequenzen tanzende McDonalds- und Coca-Cola-Embleme über die Leinwand, grinsen uns Bush, Schröder, Putin entgegen. Ohne moralischen Appell speit Mammon dem Publikum, das mitten im ganzen Schlamassel sitzt, sein verführerisches Geld-Gulasch in Brocken aus Musik und Geräusch, Spiel und Bild ins Gesicht - und lässt es fast darin ersticken. Die schwindenden öffentlichen Finanzmittel für Kultur im Hinterkopf, hält diese »Satyricon«-Inszenierung der Gesellschaft den Spiegel vor ihr glänzendes, sattes Gesicht. Und ganz nebenbei macht die Neue Opernbühne Berlin ihrem Publikum ein unmoralisches Angebot, um sich selbst auch weiter über Wasser halten zu können: Für eine Spende von schlappen 100 Euro werden die Namen der Gönner während der Vorstellung verlesen, für 1000 Euro darf sich der Mäzen gar selbst auf der Bühne produzieren. Wer nicht weiß, wohin mit seinem Geld, hier bekommt er deftig was dafür serviert. Weiter am 15., 16. und 20. bis 22. Februar, 20 Uhr, in der staatsbankberlin, Französische Str. 35, Berlin Mitte. Karten: 030/21 75 35 88.

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