- Kultur
- Wilson, Brecht und Shakespeare in den Hamburger Kammerspielen
Abseits von gängigen Theatern faden
seiner Theaterarbeit wesent-
Das Beste von Brecht in zwei Stunden. Auch so etwas gibt es - dank Dominique Horwitz. In den Hamburger Kammerspielen hat der Schauspieler und Sänger ein „Best Of Dreigroschenoper“-Konzert zusammengestellt. Neben dem Bassisten Ulli Messerschmidt gesellte sich allerdings auch ein ständig mit den künstlichen Geräuschen seiner Midi-Gitarre experimentierender Armin Pokorn dazu. Gegen soviel Computerkunst kommt leider auch die einnehmende Ausstrahlung eines Dominique Horwitz, der bereits bei „Black Rider“ und einem Brei-Abend seine Entertainer-Qualitäten bewies, kaum an. Die Zuschauer waren dennoch begeistert.
Robert Wilson in äußerst charmanter Manier konnte man in einem Performance-Referat über sein Schaffen von 1967-1992 erleben. Drei Theaterlehrsstunden für Schauspieler und Zuschauer gleichermaßen. Das Publikum ließ es sich dabei nicht nehmen, den Technik-Freak durch Abstimmung zum Auftritt ohne Mikro zu bewegen. Eindrucksvoll spielte Wilson Szenen aus seinen Inszenierungen vor, skizzierte alte Aufführungskonzepte in Sekundenschnelle und berichtete von Begegnungen, die ihn in
lieh beeinflußten: Von dem taubstummen Raymond und dem Autisten Christopher Knowles, mit denen er zusammen Stücke schrieb und aufführte.
Wilson beschrieb auch die Probleme, die er mit deutschen Akteuren hat („Die fragen immer nach dem Warum“), nachdem er in Amerika jahrelang nur mit nichtprofessionellen Schauspielern inszeniert hatte. Ein Moliere-Projekt (Wilson spielt den französischen Autor selber) und ein Film mit Isabelle Huppert sind die nächsten Vorhaben des Regiegroßmeisters.
Shakespeares „Richard III.“ versuchte Stephan Barbarino mit acht Schauspielern auf die kleine Bühne der Kammerspiele zu bringen. Mutig, und doch nicht mutig genug. Denn der regieführende Intendant schafft es nicht, in gut zweieinhalb Stunden die Mördergeschichte Richards überzeugend umzusetzen. Die dafür nötigen Verkürzungen lassen immer wieder nur Ansätze und einzelne schauspielerische Glanzlichter zu, wenn beispielweise Johannes Silberschneider als Richards Mutter auftritt. Durchgängig überzeugt Justina del Corte als fiese Königin Elisabeth.
Durch die schnellen Szenenwechsel geht viel von der Dichte und Spannung des Stücks, der Tiefe der Charaktere verloren. Als Stimmungstöter erweist sich dabei die nichtssagend dahinplätschernde Musik von Armin Pokorn. Michael Quast ist in der Titelrolle nicht gerade der von Shakespeare zur grausamen Herrscher-Figur stilisierte Richard. Eher ein intellektueller Wortverdreher, ein Machtmensch unserer Zeit. Quast spielt den charismatischen Königs-Killer, wie Kabarettisten gerne den Kanzler Kohl spielen: mit entlarvender Komik, aber eben nur den vereinfachten Teil eines bekannten Abbildes darstellend. Richard findet in dem unscheinbaren Buckingham seinen intriganten Meister, den Ulrich Bank als fahles, kettenrauchendes Manager-Männchen im edlen Anzug spielt.
Die jüngste Produktion an den Kammerspielen: ein geradezu magischer Abend. Anna Riedl sang „As Time Goes By Nur leider nicht auf der Bühne, sondern als Einlage bei der Premierenfeier. Beim offiziellen Teil von „Tod im Zylinder“ handelte es sich weniger um ein Stück als um die Präsentation der diversen Künste des Zauberweltmeisters Mr.
Cox alias Jürgen Wolfgramm. Diese darf er als Rochus Mondlicht zum 50jährigen Jubiläum der Werbeagentur Sonne abziehen. Die wenigen jubilierenden Anwesenden lassen in der Zwischenzeit den schönsten Streit entbrennen, und schon entwickelt sich die Feier zur finsteren Horror-Show. Nach und nach wird theatralisch wirkungsvoll mit Kettensägen und anderen Instrumenten gemordet.
An den Effekten hätte Shakespeare seine Freude gehabt. Weniger dafür am Text. In Thomas Höfts magischer Groteske ist nicht die seit über dreißig Jahren erprobte Illusionskunst des Magiers bemerkenswert, sondern vielmehr der Versuch des Ensembles, dem peinlichen Text theatralische Würde zu verleihen. Justina del Corte, Anna Riedl und Johannes Silberschneider gelang das am besten.
Die Idee dieser Uraufführung, mit einer Zaubershow neue Theaterpfade zu beschreiten, ging nicht auf. Wirklich überraschend war lediglich, was die Ausstatter Uwe Bremer und Moritz Schröder alles mit der kleinen Kammerspielbühne anstellten.
MANFRED BÖHM
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