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  • Kultur
  • „Die Hölle“ von Claude Chabrol

Hat'se oder hat'se nich?

  • Lesedauer: 2 Min.

Hölle ist nicht gleich Hölle. Während Filmheld Paul durch die der Eifersucht geht, hat der Zuschauer die der Langeweile zu ertragen. Man staune, der Verursacher aller Zuschauerpein ist niemand anders als der Altmeister Claude Chabrol. Ein unerwarteter Ausrutscher des französischen Regisseurs, ab damit in die Rubrik „Ausnahme und Regel“ In sonstiger, allerbester Regel nämlich pflegt Chabrol gleichermaßen maliziös wie schonungslos groß- und kleinbürgerliche Wohlanständigkeit und begüterte menschliche Wracks zu demaskieren.

Paul also erlebt die Hölle krankhafter Eifersucht. Paul, mit 35 Inhaber eines reizenden Hotels an einem reizenden See geworden, macht sich Gedanken um sein reizendes, junges Frauchen, Netty Selbst überreizt von Schlafmitteln und vom schreienden Baby, sieht er sie untreu auf Schritt und Tritt, sich mal von diesem Mann Feuer und von jenem ei-

ne Schmeichelei oder ein kleines Geschenk geben lassend. Lügt sie, wenn sie in die Stadt fährt, um die Mutter zu besuchen? Paul ertappt Netty in, seiner Meinung nach, eindeutigen Situation, belauert, bedrängt und bedroht sie fortan.-Was ist Frauensache, was Betrug mit einem anderen Mann, was Wahn und was Wirklichkeit? Macht Paul aus Mücken Elefanten, mordet gar am bösen Schluß? So recht will es der Film nicht aufklären, doch er kann auch die Schwebe des Verrückten, des spielerischen Verderbens nicht halten. Und das wär's gewesen.

Überdies besitzen die Schauspieler fürs Unergründliche nicht das Format. Emmanuelle Beart ist Weibesfleisch, zu reif für das Hin-und Herschwenken ihres Stups-Pos und das Gehabe der frühen Bardot und zu unreif für das Rätsel dieser Rolle. Die Softsexposen und das Kettchenkreuz zwischen Mund und Dekollete nichts als Anmache und lockende Un-

zucht. Hat se oder hat se nicht, darf se oder nicht - ist doch völlig egal. Wie erfreulich dagegen allein die Vorstellung, was Romy Schneider aus dieser Netty gemacht hätte, Romy, die Frau und Geheimnis ist. Sie hätte, wenn Henri-Georges Clouzot („Lohn der Angst“) diesen Film damals in den 60ern mit Romy Schneider und nach einer Umbesetzung auch mit Jean-Louis Trintignant tatsächlich hätte drehen können, ihre leinwandwirksame Kraft und Schönheit ausgespielt.

Frangois Cluzet als Paul ist ein kleiner Wüterich, ein hypochondrischer Zwerg, körperlich zu klein für Emmanuelle. Seine Eifersuchtskrankheit bleibt bis zum sich leicht steigernden Schluß* nichts als eine Behauptung. Ohne Zwischentöne und menschliche Glaubwürdigkeit will er uns vormachen, in einem Teufelskreis zu stecken. - Na, irgendwie hat er ja recht. Als Cluzet.

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