Lichte Stellen auf dem Haupt sind nicht nur ein Altersproblem. Auch junge Menschen leiden schon unter Haarausfall, der meistens genetisch bedingt ist. Auch die Wissenschaft befasst sich mit der Lösung des Problems und ist ihr inzwischen einen Schritt näher gekommen.
»Die Haut, zu der auch die Haare gehören, ist eines der schönsten Organe des Menschen«. Dieser Überzeugung ist Prof. Dr. Wolfram Sterry, Direktor der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie an der Charité Berlin. Er und viele andere Wissenschaftler beschäftigen sich intensiv mit der Behandlung von Haarausfall. So konnten sie feststellen, dass der anlagebedingte Haarverlust, auch androgenetische Alopezie genannt, die am häufigsten verbreitete Form des Haarausfalls ist. Nicht nur Männer sind davon betroffen, bereits 20 Prozent der weiblichen Bevölkerung weisen im Alter von 20 bis 30 Jahren eine deutliche Haarlichtung auf, ab dem 50. Lebensjahr sogar 40 Prozent. Bei Männern tritt dieses Problem mit zunehmendem Alter immer häufiger auf - 50 Prozent bei 50-jährigen, 70 Prozent bei 70-jährigen. Während sich bei ihnen vor allem die Schläfen und der Vorderkopf lichten, dünnt sich bei Frauen der Mittelscheitel aus, was oft zu einer starken Beeinträchtigung des seelischen Wohlbefindens führt.
Ursache für den erblich bedingten Haarausfall ist ein Überschuss an männlichen Hormonen. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass der Haarfollikel eine eigenständige Hormonfabrik ist. Das Enzym Aromatase sorgt für stärkeren Haarwuchs, das Enzym 5-a-Reduktase bewirkt Haarausfall. Mit einem Enzymhemmer soll in Zukunft der Haarausfall gestoppt werden. Seit April 2004 steht für Frauen mit anlagebedingter Alopezie in Deutschland ein neuer Wirkstoff zur Verfügung: das zweiprozentige Minoxidil. Die Lösung wird auf die Kopfhaut aufgetragen und stimuliert den Gefäßstoffwechsel. Den Aussagen der Wissenschaftler zufolge hat ein Drittel der Frauen nach drei Monaten wieder deutlich stärkeren Haarwuchs. Die Minoxidillösung vergrößert Haarfollikel und Haarschäfte. Gleichzeitig bewirkt sie, dass der Prozentsatz an Haaren, der sich gerade in der Ruhephase befindet, kleiner wird.
Das Medikament ist rezeptpflichtig, aber nicht erstattungsfähig. Es wird als Drei-Monatspackung für 39,90 Euro verkauft. Große Hoffnungen setzt die Dermatologie auch auf die neu entdeckten Stammzellen in Haaren. So gelang es einer Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Rolf Hoffmann vom Dermaticum Freiburg im Jahre 2003, bei Mäusen Stammzellen aus der äußeren Hülle des unteren Haarfollikels zu entnehmen und diese Stammzellen anschließend in haarlose Körperzonen einzuspritzen. Als Ergebnis wuchsen sowohl an den Ohren der Mäuse als auch an den Innenseiten der Pfoten Haare. »Hier könnte sich eine Alternative zur Haartransplantation anbieten, wenn nicht genug Spenderhaare zur Verfügung stehen« so Hoffmann. In England sind bereits erste Studien an Menschen gemacht worden, während man sich in Deutschland noch bedeckt hält. Nur ethisch vertretbare Studien werden zugelassen. Hoffmann verwies auf die große Bedeutung der Stammzellenforschung, die noch in den Kinderschuhen stecke. Dass allerdings eine komplette Glatze jemals wieder rückgängig gemacht werden könne, hält er für unrealistisch.
An der Charité Berlin wurde unterdessen mit dem »Follicular Targeting« ein neues System entwickelt, um die Wirksamkeit von vorhandenen Wirkstoffen zu optimieren und gleichzeitig unerwünschte Nebenwirkungen wie Migräne, Thrombosen oder Depressionen auszuschalten, die zum Beispiel durch orale Hormonbehandlung entstehen. Frau Prof. Dr. Ulrike Blume-Peytavi erklärte das so: »Wir produzieren Nanometer große Molekülkapseln aus Silikon, die durch die Kopfhaut ins Haar dringen und den Wirkstoff zielgenau in den Follikel vor Ort transportieren.« Statt Tabletten würde dann eine Therapiecreme auf die Kopfhaut aufgetragen, überflüssige Reste abgewaschen. Die Wissenschaftlerin schätzt, dass die neuen passgenauen Medikamente in ca. drei bis fünf Jahren eingeführt werden können.
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