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  • Kultur
  • „DER SCHATTENKRIEGER“ - KLAUS KINKEL UND DER BND

Saumäßig geschlaucht“ ?

  • Lesedauer: 3 Min.

Unter dem Titel „Der Schattenkrieger“ legt der Friedensforscher und Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom erneut ein Buch vor, das der Öffentlichkeit viele Interna des Auslandsnachrichtendienstes der BRD offeriert. Glanzpunkte des Buches sind die authentischen Übersichten über die Auslandsresidenturen des BND, einschließlich ihrer Leiter und über die sog. „Partnerdienste“, d.h. mit dem BND befreundete Aufklärungs- und Sicherheitsdienste vieler Länder Unter diesen Ländern sind nicht wenige, die von der internationalen Öffentlichkeit und selbst von der Bundesregierung als diktatorische Regimes bewertet werden. Nun pflegt aber der BND mit diesen Regimes nicht nur lose Kontakte. Der Autor weist mit einer Fülle von Details nach, wie eng die Kooperation mit den Geheimdiensten dieser Regimes ist, wie aus der für den BND verbotenen „Inlandaufklärung“ massenhaft Informationen über oppositionelle Kräfte

Erich Schmidt-Eenboom: „Der Schattenkrieger“ Klaus Kinkel und der BND. ECON, Düsseldorf 1995. 320 S., geb., 39.80 DM.

dieser Länder weitergeleitet werden, daß der BND an politischen Brennpunkten in nachrichtendienstliche Stellvertreterkriege verwickelt war, wie dubiose Geschäfte unter Verletzung der Gesetze der Bundesrepublik gedealt werden, daß BND-Agenten Söldner ausbilden... Fakten über Fakten in diesem Buch.

Nicht wenige dieser Aktivitäten gerieten in der Präsidentenzeit Klaus Kinkels (1979 bis 1982) zu neuer Blüte oder wurden überhaupt erst Bestandteil der operativen Nebenaußenpolitik des BND, die oft genug von dem Genscher-Zögling Kinkel zur „Gegenpolitik“ gegenüber der offiziellen Außenpolitik der Bundesregierung gestaltet wurde. Ein heute noch aktueller Bezug liegt in den 1981 von Kinkel eingeleiteten nachrichtendienstlichen

Aktionen zur Zerschlagung Jugoslawiens, die ihre Fortsetzung in der vorschnellen Anerkennung Kroatiens (gegen den Willen der EU-Partner, der USA und Rußlands) im Dezember 1990 durch Genscher sowie in der heutigen Balkanpolitik von Bundesaußenminister Kinkel fanden.

Schmidt-Eenboom räumt nachhaltig auch mit einigen Legenden über die Erfolge de.r „Ostspionage“ des BND auf. Selbst die von Kinkel persönlich zur „Chefsache“ erklärte Aktion zur Ausschleusung eines als „Roter Admiral“ bekannten ehemaligen Mitarbeiters der Militäraufklärung der DDR - Oberstleutnant Baumann, lange ausgeschieden, hochgradig alkoholkrank wurde wegen des Dilettantismus der verantwortlichen BND-Mitarbeiter sehr schnell von der Spionageabwehr der DDR aufgedeckt. Baumann konnte es auch nicht mehr nützen, daß Kinkel hinterher bekannte, die ganze Sache habe ihn „saumäßig geschlaucht“

Die Flucht Werner Stillers wiederum konnte nicht mit, sondern trotz der Hilfe des BND kurz vor dem Zugreifen der Spionageabwehr gelingen. Auch hier hatten nachrichtendienstliche Routinemaßnahmen des BND bald dazu geführt, daß die Spionageabwehr des MfS der DDR die Spur aufnehmen konnte.

Dem Leser drängt sich die Frage auf, wie ein Politiker als Parteivorsitzender, Vizekanzler und Außenminister bestehen kann, der in seiner Amtszeit als Chef eines Geheimdienstes Verantwortung zu tragen hat für Kungeleien mit Regimes, die Menschenrechte mit Füßen treten, Kungeleien, die vielen Oppositionellen dieser Länder das Leben oder zumindest die Freiheit gekostet haben; der Verantwortung tragen muß für massive Gesetzesverletzungen. - Übrigens, die Bezeichnung „dieser Dilettantenverein“ für den BND stammt von Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt.

KLAUS EICHNER

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