Antifaschistische Demonstration in Rathenow
In die brandenburgische Stadt kamen 500 Jugendliche/ Keine Gegenaktion/ Aber: „Zeckenlisten“-Verweis
Von PETER NOWAK, Rathenow
Annähernd 500 meist junge Menschen demonstrierten am Samstagnachmittag im brandenburgischen Rathenow gegen das Erstarken rechtsradikaler Strukturen in der Region. Aufgerufen dazu hatten antifaschistische Initiativen in Brandenburg sowie die PDS Rathenow Die Demonstration verlief ohne größere Zwischenfälle. Im Vorfeld waren Störungen befürchtet worden, nachdem „Die Nationalen“ Mitte letzter Woche per Fax eine Gegenaktion angekündigt hatten.
Direkter Anlaß für die Demonstration ist das verstärkte Agieren der Nationalen, die in Rathenow und Umgebung ihr Propagandablatt „Berlin-Brandenburger Zeitung“ verteilen. Berliner Antifaschisten wiesen in einem Redebeitrag darauf hin, daß diese Partei während des Wahlkampfes zum Berliner Abgeordnetenhaus mehrmals gemeinsam mit den Republikanern aufgetreten ist. Die Nationalen entwickeln sich nach dem Verbot von verschiedenen Neonazigruppen zu einem Sammelbecken. Ihre Propaganda ist mit Antisemitismus durchsetzt, der sich auch im
Alltag von Rathenow bemerkbar macht. So bekamen einige Schüler, die sich mit der Geschichte der Juden in Rathenow beschäftigen wollten, Drohbriefe. Die Demonstrationsteilnehmer legten eine Gedenkminute für die von den Nazis ermordeten Juden des Ortes am Mahnmal für die Opfer des Faschismus ein.
„Aber das verstärkte Auftreten der Nationalen ist nur ein Teil des Problems“, bemerkte ein Sprecher der Demonstration. Die Stadtverwaltung toleriert rechtsradikale Aktivitäten. So entwickelt sich der örtliche Jugendclub „Neues
Leben“ zum Zentrum der rechtsradikalen Jugendlichen der Region. Im letzten Sommer wurde eine Hausverbotsliste mit Namen und vollständiger Adresse linker Jugendlicher öffentlich im Club ausgehängt. Kurze Zeit später verbreitete das „Nationale Infotelefon Hamburg“, daß im „Neuen Leben“ eine lesenswerte „Zekkenliste“ aushängen würde. Erst vor wenigen Monaten sorgte der Jugendclub für Schlagzeilen, weil dort rechte Jugendliche in Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz Brandenburg eine Deutschlandausstellung orga-
nisierten. „Da wimmelt es nur so von Uniformen, aber über die Judenvernichtung wird kein Wort verloren“, schildert ein Besucher seine Eindrücke.
Gegenüber linken Jugendlichen zeigen die Verantwortlichen keine solche Toleranz. Im Gegenteil. Seit 1993 wurden dort sieben besetzte Häuser geräumt. Auch die Versuche antifaschistischer Jugendlicher, ein selbstverwaltetes Jugendzentrum aufzubauen, waren bisher erfolglos. Die Jugendlichen berichteten, daß ihnen von der Stadtverwaltung zwar Versprechungen gemacht wurden, aber dabei blieb es.
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