Vom Leben gebeutelt, doch lebenslustig

Gedenkkolloquium für Walter Bartel, Antifaschist und Historiker

  • Andreas Herbst
  • Lesedauer: 3 Min.
Wer ihn kannte - und er war vielbekannt in der DDR wie auch im Ausland -, wird sich seiner als einen quicklebendigen, lebenslustigen Menschen erinnern. Und dies, obwohl ihm das Leben oft übel mitgespielt hat. Anlässlich des 100. Geburtstages des Historikers und antifaschistischen Widerstandkämpfers Prof. Dr. Walter Bartel trafen sich am vergangenen Freitag Weggefährten, Dozenten und Studenten zu einer Konferenz in Berlin. Geladen hatten der Verein Helle Panke und die Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg. Siegfried Prokop und Kurt Metschies skizzierten Leben und Werk. Benno Biebel, Jahrgang 1911 und Bartels Kamerad im KZ Buchenwald, berichtete über eine kurz vor der Selbstbefreiung Anfang April 1945 durchgeführte risikoreiche Aktion zur Rettung von Häftlingen vor den Erschießungskommandos der SS. Weitere Referenten würdigten Bartels Beitrag zur Zeitgeschichtsforschung. Der 1904 geborene gelernte Kaufmann Walter Bartel war zunächst Mitglied der Freien Sozialistischen Jugend, wechselte aber alsbald zum KJVD und zur KPD über. Von 1929 bis 1932 Kursant an der Internationalen Lenin-Schule in Moskau, nahm er 1933 den Kampf gegen das NS-Regime in der Illegalität auf. Bereits im Juni 1933 in Berlin durch Verrat verhaftet, wurde er zu über zwei Jahren Zuchthaus verurteilt, die er in Brandenburg verbüßte. Wie viele andere Häftlinge vor die Wahl gestellt, entweder einen so genannten Revers zu unterschreiben, in dem er sich von jedweder künftiger politischen Arbeit distanzierte, und damit die Chance zu erhalten, freigelassen zu werden oder weitere Haft auf sich zu nehmen, entschloss sich Bartel für ersteres. Was ihm jedoch die Genossen nachtrugen. 1936 nach Prag emigriert, schloss man ihn dort »wegen Feigheit« aus der KPD aus. Ein Tiefschlag für den überzeugten Kommunisten, der sogleich nach der deutsch-faschistischen Besetzung der Tschechoslowakei 1939 erneut verhaftet und diesmal in das KZ Buchenwald deportiert wurde, wo er 1943 Leiter des illegalen Internationalen Lagerkomitees wurde. Mitte Juni 1945 nach Berlin zurückgekehrt, erhielt er zwar nach einem Überprüfungsverfahren die volle Mitgliedschaft in der KPD zugestanden. Und Bartel avancierte gar (wider den Willen von Walter Ulbricht) zum persönlichen Referenten und Berater von Wilhelm Pieck. Doch blieb er immer wieder neuen Verdächtigungen und inquisitorischen Untersuchungen seitens der Zentralen Parteikontrollkommission (ZPKK) ausgesetzt. Ende Juli 1953 wurde er im Zusammenhang mit der berüchtigten Noel-Field-Affäre - gemeinsam mit Franz Dahlem - aus dem Parteiapparat entlassen. Eine Meldung der westlichen Presse war in jenen Tagen mit der Schlagzeile getitelt: »Piecks Kanzleichef in den Westen geflohen«. Diese, so wusste Prokop zur Überraschung vieler Teilnehmer zu berichten, sei so falsch nicht gewesen. In der Tat habe sich Bartel damals einige Wochen bei Familienangehörigen in West-Berlin versteckt gehalten, drohte doch auch ihm eine Verhaftung. Mit der kurzen »Tauwetter«-Periode begann ein neuer Lebensabschnitt für Bartel. Mit über 50 Jahren promovierte er sich noch bei Ernst Engelberg an der Karl-Marx-Universität Leipzig. Von 1957 bis 1962 Direktor des Deutschen Instituts für Zeitgeschichte in Ost-Berlin (DIZ), kam er jedoch erneut in Konflikt mit Ulbricht. Vertrat er doch Ansichten, die sich nicht an die engen Vorgaben der offiziellen Parteigeschichtsschreibung hielten. Die letzten Lebensjahre wirkte Bartel als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Humboldt-Universität Berlin. Er engagierte sich besonders stark bei der Erforschung des Widerstandes der Häftlinge des KZ Buchenwald-Dora. Zudem war er Präsidiumsmitglied des Komitees der Antifaschistischen Widerstandskämpfer der DDR und lange Jahre Vizepräsident des Internationalen Buchenwaldkomitees. Er starb 1992.
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